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Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Titel: Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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die DNA aller lebenden Menschen vergleichen und einen Stammbaum zeichnen könnten, der zurückführt bis zum jüngsten gemeinsamen Vorfahren aller Menschen. Dass jedoch die Hälfte unserer DNA von der väterlichen, die andere von der mütterlichen Linie herrührt, erschwert die praktische Entwirrung der Erbinformationen enorm.
    Aber pfiffige Genetiker haben einen Weg gefunden, dieses Problem zu umgehen, indem sie sich die DNA der Mitochondrien – eines vom Zellkern unabhängigen Organells – vorgenommen haben. Denn diese mitochondriale DNA (mtDNA) wird nicht, wie die nukleare DNA der Chromosomen, geschlechtlich reproduziert, sondern ausschließlich von Frauen weitergegeben (Männer erben die mtDNA ihrer Mutter, geben sie aber nicht weiter). Vor Urzeiten hatten wir alle die gleiche mtDNA, und darum muss jede Differenz zwischen der mtDNA in meinem Körper zur mtDNA im Körper eines anderen die Folge zufälliger Mutationen sein und nicht die sexueller Vermischung.
    1987 hat ein von der Genetikerin Rebecca Cann geleitetes Forschungsteam eine Studie zur mtDNA lebender Menschen aus allen Weltteilen veröffentlicht. Sie identifizierten in ihren Daten rund 150 Typen und stellten fest, dass sie, mit welchen statistischen Tricks sie ihr Datenmaterial auch aufbereiteten, stets zu drei Schlüsselergebnissen kamen. Erstens: Es gibt nirgends eine größere genetische Diversität der mtDNA als in Afrika. Zweitens: Die Diversität in der übrigen Welt ist eine Teilmenge der Diversität in Afrika. Und drittens: Die tiefsten – und darum ältesten – Abstammungslinien der mtDNA kommen alle aus Afrika. Das lässt nur einen Schluss zu: Die letzte weibliche Ahnin, die allen Menschen auf der Welt gemeinsam ist, muss in Afrika gelebt haben – die afrikanische Eva, wie sie sofort genannt wurde. Sie war, wie Cann und ihre Kollegen festhielten, »die eine glückliche Mutter« 9 . Indem sie standardisierte Schätzungen der Mutationsrate |79| zugrunde legten, errechneten sie, dass Eva vor 200   000 Jahren gelebt haben muss.
    Während der gesamten 1990er Jahre stritten Paläoanthropologen über die Schlussfolgerungen des Teams um Cann. Einige stellten ihre Methode in Frage (es gibt Tausende von Möglichkeiten, die statistischen Zahlen zu gruppieren, die aber, theoretisch zumindest, alle gleich gültig sind), andere die Ausgangsdaten (die meisten »Afrikaner« der Studie waren Afroamerikaner), doch auch mit revidierten Zahlen und Proben kam man immer wieder zu fast den gleichen Ergebnissen. Das einzig neue Resultat war, dass man die Lebenszeit Evas präzisierte: auf 175   000 ±50   000 Jahre v. u. Z. Um die Sache zu entscheiden, Ende der 1990er Jahre dann, bekam die afrikanische Eva Gesellschaft, weil Genetiker mit verbesserten Techniken in der Lage waren, die nukleare DNA auf dem Y-Chromosom zu untersuchen. Wie die mtDNA wird auch sie asexuell reproduziert, allerdings ausschließlich auf der männlichen Linie. Wie eingehende Forschungen ergaben, offenbart auch die nukleare DNA des Y-Chromosom die größte Diversität und die tiefsten Abstammungslinien in Afrika und verweist so auf einen afrikanischen Adam, der irgendwann im Zeitraum von 90   000 bis 60   000 Jahren v. u. Z. gelebt hat – die Quelle für nichtafrikanische Varianten liegt erst etwa bei 50   000 Jahren. 2* Die genetischen Daten scheinen absolut schlüssig zu sein: Alle heute lebenden Menschen stammen von Afrikanern ab, keine und keiner trägt genetische Spuren des Neandertalers oder des Peking-Menschen in sich.
    Einige Paläoanthropologen allerdings sind noch immer nicht überzeugt und behaupten, dass die Genetik weniger zähle als die Ähnlichkeiten im Knochenbau, die sie zwischen dem westlichen
Homo sapiens
und den Neandertalern beziehungsweise zwischen dem östlichen
Homo sapiens
und dem
Homo erectus
sehen. Sie verwerfen die Out-of-Africa-Theorie zugunsten einer Theorie »multiregionaler« Entwicklung. Die ursprünglichen kleinen Schritte, das räumen sie ein, könnten durchaus in Afrika geschehen sein, doch die anschließenden Wanderungen der Populationen zwischen Afrika, Europa und Asien hätten für einen derart raschen Genfluss gesorgt, dass sich günstige Mutationen an einem Ort innerhalb weniger 1000 Jahre überallhin hätten verbreiten können. Aus diesem Grund hätten sich leicht unterschiedene Formen des anatomisch modernen Menschen (
Homo sapiens
) in verschiedenen Teilen der Welt parallel entwickelt. Dies |80| erkläre beides: die genetischen Beweise

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