Wer schlafende Hunde weckt
Chefetage Bewunderung, die fast schon an Misstrauen grenzt.«
»Danke«, erwiderte Catherine. »Jetzt geht’s mir schon viel besser.«
»Das ist alles wahr, Kleine.«
»Ich weiß. Und jetzt, wo wir die gequirlte Scheiße abgehakt haben, kannst du mir vielleicht den echten Grund nennen?«
Moira hatte einen Schluck Kaffee getrunken und nickte mit einem ertappten Lächeln.
»Du wolltest es zu sehr«, sagte sie und sah Catherine direkt in die Augen, woran sie erkennen konnte, dass Moira nicht nur selbst diese Meinung teilte, sondern auch vermutete, dass Catherine sie verstehen würde. »Das war die allgemeine Meinung. Die hatten kein gutes Gefühl bei dir. Du hasst diese Typen, Cath: die Stevie Fullertons dieser Welt, die Frankie Callahans, die Paddy Steels. Gib’s ruhig zu und red dir bloß nicht ein, dass es keiner merkt. Die da oben wissen, was du kannst und wie du arbeitest. Die hatten Angst, dass du ihnen fleißig einen Hydrakopf nach dem anderen bringst. Die wollen lieber die Anatomie des Monsters studieren. Versorgung, Vertrieb, Abgleichung der Einkünfte, wohin das Geld als Nächstes geht, wie es gewaschen wird, wie die Geschäfte ablaufen, ohne dass sichtbar Geld oder Waren den Besitzer wechseln. Und dazu muss man viele unschöne Kompromisse eingehen.«
Moira musste es gar nicht weiter erklären. Catherine hatte verstanden, warum sie nie eine Chance auf den Posten gehabt hatte. »Die wollten einen Diplomaten. Einen kühlen Pragmatiker.«
»Abercorn ist jung und ehrgeizig«, bestätigte Moira. »Er kann autonom arbeiten, ohne zu weit zu gehen; er macht, was die wollen, ohne dass sie ihm die Hand halten müssen.«
»Ein Jasager.«
»Vielleicht eher einer, der schlau genug ist zu wissen, wann er den Jasager geben muss. Statt kühl, sag lieber ›hinterhältig‹, statt pragmatisch ›würde seine Großmutter verkaufen‹.«
Moira war die Erste, die ihr zuliebe Abercorn heruntermachte, doch hatte Catherine nun wirklich verstanden, warum ihre Vorgesetzten sich so entschieden hatten, und es tat umso mehr weh, weil sie wusste, dass es die richtige Entscheidung war. Sie hasste die Gangster wirklich, und ihreGefühle konnten ihre Entscheidungen beeinflussen und ihre professionelle Geduld strapazieren. Wenn sie Abschaum wie Paddy Steel vor sich hatte, fiel es ihr sehr schwer, einen Schritt zurückzutreten und sich das ganze Schlachtfeld anzusehen.
Abercorns Geduld dagegen wirkte endlos; so endlos, dass er kaum daran interessiert zu sein schien, überhaupt irgendwen zu verhaften, woher auch der Spott rührte, der jeder Erwähnung seiner Einheit folgte.
Er klopfte zaghaft ans Glas und winkte fast schüchtern. Seine Analyse einundvierzigjähriger Mütter zweier Kinder hatte wohl gegen die Wutanfall-Masche gesprochen.
Wie immer sah er aus, als hätte er sich zehn Minuten lang in der Toilette herausgeputzt, bevor er betont lässig bei ihr vorbeischaute. In seiner Nachrichtensprecher-Frisur lag jedes Haar perfekt, sein Anzug saß tadellos und war absolut fusselfrei. Manche hätten ihn wohl schick, ja stylish, gefunden, aber für Catherine war er einfach nur schmierig. Sie konnte vielleicht verstehen, dass andere Frauen ihn attraktiv fanden, aber bestimmt keine Polizistinnen. Er erinnerte sie ein bisschen an Don Draper aus Mad Men : klassisch gutaussehend, aber für ihren Geschmack zu glatt. Nicht kantig genug, nur Oberfläche, kein Gefühl.
»Tut mir leid, dass ich Ihr Mittagessen unterbreche. Ich habe von James McDiarmid gehört und wollte Ihnen alles zur Verfügung stellen, was ich über die Sache weiß.«
Was so viel hieß wie: »Ich bin mal eben vorbeigekommen, um alle Erkenntnisse Ihrer Ermittlung aufzusaugen, die ich gebrauchen kann.«
Vielleicht hieß es das nicht mal. Abercorn war noch schwerer zu durchschauen als Sunderland, aber eins war sicher: Er verfolgte immer seine eigenen Ziele. Er konnte einen nicht mal ohne undurchsichtige Hintergedanken nach der Uhrzeit fragen.
»Danke«, erwiderte sie, ohne überfreundlich wirken zu wollen. »Bei der Sache sind wir für jegliche Hintergrundinformationen dankbar. Meine Leute befragen gerade die Anwohner, aber im Moment haben wir nichts als eine Leiche und den vielfältigen Kontext, den der Lebenswandel des verstorbenen Mr McDiarmid bietet.«
»Das ist aber ein ziemlich weites Feld, was?«
»Ja. Ich hab mit Paddy Steel geredet. Er behauptet, er hat keine Ahnung, worum es geht, und dass der Mord aus heiterem Himmel kam.«
Abercorn schürzte die
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