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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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sie Sergeant Collins’ Unnachgiebigkeit entgegensetzen konnte.
    »Es ist noch sehr früh, Miss Sharp«, tröstete er sie. »Sie haben sich sicher selbst schon gedacht, dass es eine ganz einfache Erklärung geben muss und dass in ein paar Tagen oder auch nur Stunden alles geklärt ist.«
    »Und wenn nicht?«, fragte sie mit bebender Stimme.
    »Na ja, wenn man jemanden sucht, und die Polizei nicht zuständig ist, hat man natürlich die Möglichkeit, einen Privatdetektiv anzuheuern, was allerdings teuer werden kann.«
    Das war zu viel. Jasmine stützte das Gesicht in die Händeund fing an zu schluchzen. Sergeant Collins legte ihr den Arm um die Schultern und bot ihr ein Taschentuch an.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte er ruhig. »Wie gesagt ist es noch sehr früh. Das mit dem Privatdetektiv ist nur so eine Idee für später.«
    Jasmine hob den Kopf und starrte ihn verheult, aber entschlossen an.
    »Sie verstehen mich nicht. Mein Onkel ist selbst Privatdetektiv. Vorher Polizist: Detective Sergeant, nach fünfunddreißig Jahren im Ruhestand. Wenn Sie ihm nicht helfen können, wer denn dann?«
    Sergeant Collins war sichtlich überrascht. Er richtete sich zackig auf. Sein Ton blieb professionell, aber jetzt schwang echte Anteilnahme mit. Für Jasmine klang er aber eher bedauernd als tatkräftig.
    »In Vermisstenfällen sind uns leider rechtlich wie politisch die Hände gebunden. Aber Sie haben recht: Hier sieht es etwas anders aus. Ich markiere es im System, dass er ein Polizist im Ruhestand ist, und wir gucken mal, was sich machen lässt.«

Die lange Sicht
    Catherine aß gerade an ihrem Schreibtisch ein Sandwich, als sie Abercorn durch die Glastrennwand sah. Er sprach mit Sunderland, aber sie war sich sicher, dass er eigentlich zu ihr wollte. Sie hatte Locust noch nicht offiziell über die Mordermittlung informiert (sie hatte es vor, es war nur nicht ihre oberste Priorität), aber Abercorn hatte garantiert gleich am Morgen davon gehört. Natürlich wusste er auch, dass niemand, der am Fall arbeitete, es für nötig gehalten hatte, ihm Bescheid zu sagen. Sie wusste nicht, wie er reagieren würde, aber egal ob Moralkeule, Wutanfall, Demut oder Kompromiss, er würde präzise kalkuliert auftreten.
    Sie wischte Brotkrümel von ihrem Schreibpapier. Darauf stand eine Namensliste: Frankie Callahan, Stevie Fullerton, Grant Cassidy und Craig McLennan. Sie versuchte, darüber nachzudenken, welcher Name Paddy Steel eingefallen war, als er von Jai McDiarmid hörte, aber in Wirklichkeit wusste sie, dass eine Störung bevorstand, und sie sammelte sich, damit es nicht zu offensichtlich war, dass sie Abercorn hatte kommen sehen.
    Genervt von sich selbst, weil sie sich wie ein dummes kleines Mädchen aufführte, schob sie das Blatt mit einem Schnaufen beiseite. Wie bei Paddy Steel setzte sie auch bei Abercorn immer ein freundliches, diplomatisches Lächeln auf. Anders als bei den Gangstern war es jetzt aber nicht kalkuliert. Sie konnte nicht anders. Aus irgendeinem dummen Grund wollte sie nicht das geringste Anzeichen von Missgunst oder Verbitterung darüber durchscheinen lassen, dass er Leiter der Task Force geworden war und nicht sie; doppelt dumm war es, wenn man bedachte, wie es sich auf ihre Meinung voneinander ausgewirkt hatte. Sie wollte einen Neunter-Dan-Schwarzgurt-Blender blenden und fürchtete, dass ihre gespielte Großmütigkeit nur umso mehr den Eindruck erwecke, sie hätte eine noch schlechtere Meinung von ihm als ihre Kollegen.
    Direkt nachdem Abercorn den Posten bekommen hatte, hatte sie schlecht ihre Vorgesetzten um eine Erklärung bitten können, um nicht noch dümmer dazustehen, also hatte sie sich an Moira Clark gewandt. Moira war zu diesem Zeitpunkt schon im Ruhestand, saß aber in so vielen Gremien und Komitees, dass sie besser Bescheid wusste als in ihrer aktiven Dienstzeit.
    »Du bist zu nützlich, du bringst zu viele Verhaftungen rein«, erklärte ihr Moira bei einem morgendlichen Cappuccino in einem lauten Café in einer Seitenstraße der Byres Road im West End. »In unserem Beruf gibt es keine schlimmere Karrierebremse als herausragende Kompetenz bei einer bestimmten Aufgabe. An Sunderlands Stelle hätte ich dich auch nicht gehen lassen, muss ich sagen. Deine Verurteilungsrate macht sich in der Statistik so gut, dass kein Chief Superintendent dich freiwillig aufgeben würde. Catherine, du kannst mir glauben, dass die hohen Tiere wissen, was du wert bist. Deine Fähigkeit, einen Mörder zu erkennen, erntet auf der

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