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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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seinem Körperbau eher einem Grummeln gleichkam, einem untergründigen Rumoren der Kontinentalplatten. Jasmine versuchte es mit dem einzigen Ansatz, der ihr einfiel.
    »Ich glaube, Ihre Freundin Rita hatte erwartet, dass Sie ein bisschen freundlicher sind.«
    Ingrams zog die Augenbrauen hoch.
    »Meinen Sie, die ist auf Ihrer Seite?«, fragte er. »Das können Sie vergessen. Rita hat nur vorgeschlagen, dass Sie bei mir mitfahren, weil sie Sie so wieder schnell aus dem Haus hatte. Die hat nichts für Schnüffler übrig und ich auch nicht.«
    Jasmine war fest entschlossen, sich nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Außerdem wurde ihr klar, dass er nur deshalb so abweisend tat, weil er etwas wusste. Seit er sie gesehen hatte, wich er ihr aus. Dann war da noch der Akzent. Anfangs hatte sie an Tennisspieler und Golfer in Interviews denken müssen: Leute, die die meiste Zeit auf Tour und von Leuten umgeben waren, die Englisch nicht als Muttersprache hatten. Doch je mehr er redete, desto mehr fielen ihr Ungereimtheiten in seiner Aussprache und seinem Tonfall auf, und für ihrin der Schauspielschule sensibilisiertes Gehör wirkte sein Akzent verdächtig aufgesetzt.
    Er sah andauernd in den Rückspiegel, und irgendwann drehte Jasmine sich um und schaute durch die Rückscheibe des Landrovers. Das Lenkrad war links, was hieß, dass er den Wagen im Ausland gekauft hatte. Wenn ihnen Autos entgegenkamen, kam es ihr komisch vor, ohne Steuer auf der rechten Seite zu sitzen. Sie sah hinter ihnen einen schwarzen Audi A4, dessen Fahrer eine Baseball-Cap trug. Ihrer Erfahrung nach schrie so eine Aufmachung in einem Fahrzeug geradezu »Arschloch«, und Ingrams hatte sicher guten Grund, mit einem gewissen Maß an fahrerischem Leichtsinn zu rechnen, aber er wirkte fast ein bisschen zu misstrauisch.
    Er sah, dass sie sich umdrehte und bemerkt hatte, dass er sich Sorgen machte.
    »Der folgt uns schon seit sechs Kilometern über drei Kreuzungen und zwei Kreisel. Gehört er zu Ihnen? Wenn ja, muss er an seiner Technik arbeiten. Nicht gerade unauffällig.«
    »Nein, der gehört nicht zu mir. Hat wahrscheinlich nur noch keine Gerade zum Überholen gehabt. Sind Sie immer so paranoid?«
    »Wenn Privatdetektive auftauchen, die mich über Tote ausfragen, die ich nicht kenne, dann ja. Umso mehr, wenn es zweimal passiert, obwohl schon beim ersten Mal klar war, dass Ihr Kollege bei mir falsch war.«
    Jasmine schwieg ein paar Sekunden, damit er glaubte, er habe sie überzeugt. In Wirklichkeit war sie sich jetzt absolut sicher, dass er ihr etwas verheimlichte, und sie würde es ihm sogar erklären.
    »Hatten Sie einen schlechten Morgen, Mr   Ingrams? Mit dem falschen Bein aufgestanden? Hat Ihr Verein gestern Abend verloren?«
    »Nein, aber mein Goldfisch ist gestorben und ich wurde bei der Ballettschule abgelehnt. Außerdem ist mein Schredder verreckt, aber all das ist nichts dagegen, dass ich hier zum zweiten Mal zu etwas verhört werde, wovon ich nicht die leiseste Ahnung habe. Das ist doch kafkaesk.«
    »Im Gegenteil, Mr   Ingrams. Ehrlich gesagt habe ich Sie nur gefragt, weil Sie mir übermäßig gestresst wirken, und da muss ich mich doch fragen, warum. Wenn man von jemandem ausgefragt wird, der fälschlicherweise glaubt, man wüsste Bescheid, geht doch die Welt nicht unter. Sie übertreiben’s ein bisschen.«
    Ingrams lachte spöttisch.
    »Wenn ich also genervt bin, weil Sie mir Fragen stellen, die ich nicht beantworten kann, ist das der Beweis, dass ich es doch kann? ›Nur der wahrhaftige Messias leugnet es.‹ Wie gesagt: kafkaesk. Und warum hat der andere Kerl eigentlich Sie geschickt? Wollten Sie mal sehen, wie es bei Papi auf der Arbeit ist?«
    Jasmine kam sich ertappt vor und merkte, wie sie rot wurde. Er hatte sie sofort durchschaut.
    Aber ein kleiner Funken Empörung glühte auch in ihr. So wenig sie die Arbeit als Privatdetektivin mochte, konnte sie es doch nicht haben, wenn jemand, der sie gar nicht kannte, sich über sie lustig machte. Eine Stimme in ihr sagte: »Warte, gleich zeigen wir’s ihm«, doch leider war es nur eine leise Piepsstimme, der auch sonst nichts einfiel. Ihr war klar, dass ihr nur die Wahrheit weiterhelfen konnte.
    »Mein Chef ist verschwunden. Fast schon eine Woche lang. Und ich will wissen, was passiert ist.«
    Ingrams nahm einen Sekundenbruchteil die Augen von der Straße und sah sie an: teils ungläubig, teils misstrauisch und absolut überrumpelt. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet.
    »Ich forsche

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