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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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eingeschlafen.
    Am Morgen war er ziemlich kurz angebunden gewesen, und als sie ganz aufgewacht war, verstand sie auch, warum. Er war nicht sauer wegen des Abends davor, nicht mal wegen der letzten sechs Wochen. Die Zukunft machte ihm Sorgen. Drew betrachtete alles auf lange Sicht, und ihm gefiel nicht, was er sah.
    In der Dusche überlegte Catherine sich, was sie ihm sagen konnte, vielleicht noch am gleichen Abend, wenn er nicht zu spät nach Hause kam. Sie würde sich für den letzten Abend entschuldigen und die Gesamtsituation ansprechen. Sie hatten eine Menge Pech gehabt, würde sie sagen. Sie würde einen Witz machen, dass es bei ihnen wie bei der IRA war: Sie mussten nur ein einziges Mal Glück haben. Zumindest konnten sie ja nicht immer Pech haben.

    Aber hatten sie wirklich nur Pech? Mal ganz ehrlich, Mädchen.
    Nein. Und am letzten Abend hatte Drew auch nicht nur der fehlende Sex gestört. Sondern das, was dahintersteckte, dem sie vielleicht im Urlaub entflohen waren, aber das immer wieder auf sie warten würde, wenn sie zurückkamen.
    Catherine hatte ihm geschworen, dass sie kein Klischee werden würde: eine höhere Polizeibeamtin, die sich von ihrer Arbeit auffressen lässt und sich von ihrem Partner entfremdet. Und alles in allem war sie das auch nicht. Die meiste Zeit hatten sie eine Balance in ihrem Leben, und sie waren eine normale, funktionierende, liebende Familie. Catherine steigerte sich nicht übermäßig in ihre Fälle hinein, sie war kein Workaholic, und sie trank auch nicht jeden Abend gegen die Ängste, Schrecken und Enttäuschungen an. Allerdings war die Tatsache unausweichlich, dass es sich um einen fordernden und eigentümlichen Job handelte, bei dem man immer wieder den schlimmsten Tag im Leben anderer Leute miterlebte und mit den schlimmsten Verbrechen der schlimmsten Menschen fertig werden musste.
    Mal war es schlimmer, mal weniger. Manchmal kam alles auf einmal, aber gerade dann fühlte sie sich ihrer Familie am nächsten, weil sie ihr half, die Arbeit in Schach zu halten. Es gab aber noch ein ganz anderes Problem. Drew konnte es mit der Zeit immer und immer früher vorhersagen, aber er konnte es ebenso wenig aufhalten wie verstehen, was Catherine bedauerte. Für die Vorhersage war sie trotzdem sehr dankbar.
    »Du gehst manchmal an einen dunklen Ort«, erklärte er. »Auf dem Weg dahin bist du wütend, und wenn du da bist, lässt du nichts an dich ran. Aber das Schlimmste ist, dass du hinterher tagelang abwesend bist.«
    Sie beide hatten am Abend davor diese Wut erkannt. Manchmal fiel sie sogar anderen auf.
    Du wolltest es zu sehr … Du hasst diese Typen.

    Moira Clark war es aufgefallen, und Graeme Sunderland auch. Ganz zu schweigen von Cal O’Shea, und Catherine wollte wirklich nicht darüber nachdenken, was der Pathologe sonst noch alles bemerkt hatte.
    Sie alle hatten es mitbekommen, aber keiner von ihnen verstand, was wirklich los war.
    Drew glaubte, ihr Beruf würde sie manchmal an den dunklen Ort entführen und sie vergessen lassen, dass sie eine Frau und Mutter war. In Wahrheit hatte ihr Beruf ihr überhaupt erst ermöglicht, dem dunklen Ort lange genug fernzubleiben, um eine Frau und Mutter zu werden.
    Während sie auf eine Lücke wartete, sah sie sich noch einmal nach der U-Bahn-Station um und hoffte insgeheim, Drew käme zurückgerannt, um ihr einen richtigen Kuss zu geben und sich von ihr sagen zu lassen, dass das nur der Anfang war. Stattdessen sah sie es im Rückspiegel aufblitzen, als ein Corsa-Fahrer sie reinließ.
    Sie hatte eine Angst, die sie sich in solchen Situationen nicht eingestehen wollte, als könnte sie sie so aus ihrem Kopf verbannen oder das Befürchtete selbst verhindern.
    Sie hatte Angst, Drew könnte sie betrügen. Nicht einfach nur hypothetisch irgendwann mal, sondern heute Abend. Diese bisher nur vage Sorge war eine greifbare Möglichkeit im Hier und Jetzt geworden. Er könnte einfach ein bisschen zu viel trinken und dann etwas Dummes aber Verständliches tun. Ein bisschen beschwipst, mehr als ein bisschen sauer auf sie, voller Selbstmitleid und auf Wiedergutmachung aus – Catherine wusste zu gut, wie Menschen ihre Verfehlungen rechtfertigten. Und genau das machte ihr Angst.
    Doch dann fiel ihr ein, dass er ja am Abend noch nach Hause kam. Ein wichtiges Meeting im engsten Kreis, dann Abendessen, und schon würde er in der Bahn von der Edinburgh Waverley Station nach Glasgow Central sitzen. Er blieb nicht über Nacht.

    Spieledesigner waren nicht

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