Wer schlafende Hunde weckt
hatte oder lieber ignorierte.
Fallan warf ihr für ihre unabsichtliche Mithilfe einen wütenden Blick nach, aber erst, als sie sich umgedreht hatte.
»Mr Fallan hat also unter einem Decknamen gelebt?«, fragte Catherine.
»Tron Ingrams«, erwiderte Jasmine hilfsbereit. Bei ihremvöllig arglosen Gesichtsausdruck war es schwer zu sagen, ob sie einfach so naiv war, dass sie mit dieser Information so leichtfertig umging, oder ob sie Fallan ärgern wollte.
Was macht ihr beiden hier eigentlich zusammen?, fragte Catherine sich.
»Ich bin Tron Ingrams«, sagte er. »Den Namen Glen Fallan habe ich vor über zwanzig Jahren abgelegt.«
»Ein Name lässt sich viel einfacher ablegen als die eigene Vergangenheit. Besonders Ihre Vergangenheit, Mr Ingrams .«
»Wie haben Sie uns gefunden?«, fragte Jasmine leicht besorgt.
»Wir staatlichen Ermittler haben Zugriff auf nützliche Informationsquellen«, erwiderte sie, um das Mädchen noch ein bisschen einzuschüchtern. »Sie würden sich wundern, wie oft so ein Nummernschild heutzutage gescannt wird.«
Die Bedienung kam mit einer großen Kanne Tee zurück und schenkte ein.
Dabei ertappte sich Catherine, wie sie Fallan schockiert anstarrte. Einen Moment lang konnte sie das nicht verbergen. Sie hatte ihn schon mal gesehen. Sein Gesicht und seine Stimme hatten sie zunächst nur ihre Erinnerungen durchforsten lassen, was immer passierte, wenn sie jemanden traf, der mit der Unterwelt in Verbindung stand. Die Suche hatte nichts ergeben.
Erst ihr Geruchssinn, der mit der Erinnerung am engsten verknüpft ist, hatte sie über den Tee darauf gebracht. Sein Gesicht, seine Stimme und sogar seine Haltung wurden sofort in einen bestimmten Kontext gesetzt: Er hatte vor einem Vierteljahrhundert an einem anderen Tisch gesessen und Tee getrunken, während sie ihn voller Angst und Hass anstarrte.
Sie konnte nicht mal nach ihrer Tasse greifen, weil sie fürchtete, ihre Hand würde auffällig zittern.
Fallan schaute sie kurz an, weil er sie starren sehen hatte. Hatte er sie auch erkannt? Unwahrscheinlich. Er hatte sie damals wohl kaum bemerkt, nur noch ein verängstigtes Gesicht, wovon er jeden Tag Dutzende sah.
Die Erinnerung brach über sie herein wie eine Welle. Fallan war bei ihren Eltern in der Küche gewesen, gemeinsam mit dem schrecklichen, kleinen, grauen Mann, der sie immer noch manchmal in unruhigen Träumen heimsuchte: eine wandelnde Leiche mit flaumigen Haaren, die roch, als würde sie in einem Aschenbecher wohnen.
Er hatte am Tisch ihrer Eltern gesessen und ihren Tee getrunken.
Und ihr Geld genommen.
Catherine bemühte sich, die Fassung zu wahren. Der Deich um ihren aufgestauten Hass war undicht geworden, was ewig nicht passiert war. Sie hätte dringend einen Schluck Tee gebraucht, aber sie konnte ihren Händen immer noch nicht trauen; entweder würden sie zittern oder Fallan die kochend heiße Flüssigkeit ins Gesicht schütten.
»Was machen Sie denn wieder in Glasgow«, fragte sie, und versuchte erfolglos, ihre Wut zu verbergen. »Wollen Sie wieder da anfangen, wo Sie aufgehört haben?«
Fallan schwieg. Das Mädchen ertrug die Stille aber nicht so gut.
»Mein Onkel ist verschwunden. Er ist auch mein Chef. Die Polizei konnte nicht viel machen, also hat er mir geholfen.«
»Verschwindende Leute? Ja, damit kennt er sich aus.«
Als Fallan in Ruhe sein Frühstück beendet hatte, legte er das Besteck aus der Hand und sah Catherine in die Augen.
»Können wir Ihnen irgendwie helfen?«, fragte er in einem Ton, der ihr klarmachen sollte, dass er lieber in Ruhe gelassen werden wollte, wenn dies nicht der Fall war.
»James McDiarmid. Frankie Callahan. Gary Fleeting. Tommy Miller. Kommen Ihnen die Namen irgendwie bekannt vor?«
Fallan schlürfte gespielt vornehm seinen Tee.
»Nein.«
»Alle vier haben zwei Dinge gemeinsam. Sie stehen alle mit organisierter Kriminalität und Drogenhandel in Verbindung und sind alle in den letzten Tagen eines gewaltsamen Todes gestorben. Und in der gleichen Woche, in der ich es mit vier toten Verbrechern zu tun bekomme, ersteht zufällig auch Glen Fallan von den Toten auf. Tote Verbrecher, Glen Fallan. Glen Fallan, tote Verbrecher. Wie ich höre, gehören die beiden zusammen wie Eier und Speck, Kaffee und Milch, Pistolen und Kugeln. Verstehen Sie vielleicht, warum ich diese beiden Entwicklungen zueinander in Verbindung setze?«
»Wann sind sie gestorben?«, fragte er.
»McDiarmid am Sonntag, die anderen Donnerstag.«
»Sonntag war ich
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