Wer schlafende Hunde weckt
hatte sie nichts verstanden, aber Catherine wollte es nicht weiter erklären.
Catherine setzte sich auf den Beifahrersitz, während Laura noch draußen blieb, den Anruf annahm und Bestätigungen ins Handy murmelte.
»Die ersten Laboranalysen der Top-Table-Lieferwagen sind da«, berichtete sie, als sie sich hinters Lenkrad setzte. »In einem wurden Blutspuren gefunden: null negativ. Das passt auf Jai McDiarmid.«
»Was bestätigt, was wir sowieso die ganze Zeit gesagt haben«, sagte Catherine mit einem frustrierten Seufzen, als die Beweislage sich wieder in die Anfangslage umkehrte. »Vielleicht haben wir ja gar nichts übersehen. Vielleicht ist das Ganze im Gegenteil genauso, wie wir es von Anfang an eingeschätzt haben, bloß ist irgendein Fremdkörper dazwischengekommen, der unsere Berechnungen durcheinanderbringt. Callahan und Fleeting haben sich auf jeden Fall auf etwas Wichtiges vorbereitet, und jetzt ist wohl ziemlich sicher, dass Fleeting McDiarmid umgebracht hat. Was also, wenn es genau das ist, wonach es aussieht: Einfache Rachemorde im Drogenmilieu?«
»Bloß wissen wir jetzt, dass die Szene in der Lagerhalle gestellt war«, erinnerte Laura sie skeptisch.
»Was ändert das? Wenn Steels Leute dahinterstecken, haben sie es vielleicht gestellt, dass Callahan und Fleeting Miller gefoltert haben, weil sie es in Wirklichkeit selbst waren. Oder sie wollten einfach nur vertuschen, dass sie Miller selbst umgebracht haben und Callahan und Fleeting gar nichts damit zu tun hatten. Vielleicht wussten Paddy Steel und Tommy Miller beide von der falschen Heroinlieferung. Denn da liegt für mich der Schlüssel: Das ist der Fremdkörper, der alles andere verfälscht.«
Laura schwieg. Sie starrte nur gequält durch die Windschutzscheibe, als ergäbe nichts, was Catherine sagte, mehr Sinn als Anthony Thomsons Spitzname Beano. Sie wollte gerade den Schlüssel ins Zündschloss stecken, hielt aber inne und ließ sich zurück in den Sitz sinken, als hätte sie alle Kraft verloren.
»Alles klar?«, fragte Catherine. Das hatte sie sie an dem Tag schon mehrmals fragen wollen, denn Laura wirkte noch missmutiger und abwesender als sonst, und jetzt musste sie endlich nachhaken.
Laura sah sie gleichermaßen besorgt und schuldbewusst an.
»Ich hab ’nen Fehler gemacht«, gestand sie. »Ich hätt’s nicht tun sollen, aber es hat ja keinem wehgetan. Es hätte auch nie jemand rausgefunden, wär also ganz egal gewesen, was?«
»Aber?«, ermuntert Catherine sie.
»Aber ich hab dabei etwas rausgefunden, und wenn ich das erzählen will, muss ich auch sagen, wie.«
Als würde sie mit Duncan oder Fraser reden. Man musste ihnen versprechen, dass man nicht böse wurde, weil man es wissen wollte, aber gleichzeitig war klar, dass man sie vielleicht doch bestrafen musste.
»Jetzt mach schon. Mir kannst du es doch sagen. Ist doch schon fast draußen.«
Laura wirkte nervös, was endlich mal etwas anderes war als die Trübsal, die sie den ganzen Tag geblasen hatte.
»Donnerstagmorgen, in dem Café. Als Cairns seinen Anruf bekommen hatte. Du bist doch rausgegangen, um besseren Empfang zu kriegen, was?«
»Ja«, sagte Catherine ermunternd. Es war ihr weniger um den Empfang gegangen als um den Hintergrundlärm in dem vollen Café. Sie hatte Scotrail anrufen und die Räumung des Bahnhofs sowie das Anhalten der Züge anordnen müssen – da konnte man sich keine Missverständnisse wegen klirrendem Geschirr oder kreischendem Gelächter leisten, und ebenso wenig durfte sich die Maßnahme nach einer Schnapsidee bei Schinkenbrötchen und doppeltem Espresso anhören.
»Na ja, während du draußen warst, ist Cairns noch mal schnell aufs Klo, bevor der ganze Trubel losging. Sein Handy hat er auf dem Tisch liegen lassen.«
Laura biss sich auf die Lippe.
Sie wussten beide, was nun kam. Laura musste es nicht ausformulieren, aber es war ihr wichtig, sich zu verteidigen.
»Du hattest doch gerade ein paar Minuten vorher gesagt, weißt schon, was du nicht für die Nummer geben würdest.«
Catherine dankte noch einmal ihren Söhnen für die Vorbereitung auf solche Situationen und unterdrückte eine ganze Reihe wenig konstruktiver Reaktionen.
»Ich weiß ja, dass es falsch war, ich brauch jetzt wirklich keine Gardinenpredigt über die ethischen Aspekte. Ich hab bloß den Eindruck, dass ich nichts zustande kriege, seit ich hier bin. Dass ich alle enttäusche. Ich brauchte ’nen Trumpf in der Hinterhand. Ich wollte das Kaninchen aus dem Hut ziehen
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