Wer schön sein will, muss sterben
doch verrückt. Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber er geht nicht ran.«
»Es ist dort vier Uhr morgens.«
»Das ist egal. Er muss bei jemand anderem sein.« Ihre Lippen zitterten, und ihre Augen waren das reinste Unglück.
Ich deutete auf das Display ihres Handys. »Er hat doch mit ›Alles Liebe, Alex‹ unterschrieben. Vielleicht ist was passiert. Er schreibt, er erklärt es dir später.«
Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, und ihre Stimme wurde schrill. »Was kann er noch sagen? Dafür gibt es keine Entschuldigung. Er macht alles kaputt.
Alles.
«
»Doch nicht
alles
, L.?« Kates Tonfall war leise, beruhigend, ihr Gesicht besorgt. Ein paar ihrer dunkelblonden Haare fielen nach vorn, als sie sich herunterbeugte, um ihre Hand auf Langleys Schulter zu legen. »Ehrlich, ich bin sicher, es gibt einen guten Grund und …«
»Ehrlich«
, wiederholte Langley spottend. Sie entzog sich Kates Griff. »Ehrlich, was weißt du schon, Kate? Jeder liebt dich. Deine Eltern, Lehrer, Jungs. Männer verfolgen dich auf der Straße, um dir zu sagen, wie schön du bist. Du hast alles, und es ist dir völlig egal. Aber ich habe nichts. Niemanden.«
Kate wich zurück, als wäre sie getroffen worden. Sie schlang die Arme um sich.
»Das stimmt nicht«, sagte sie leise. Sie streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingern ihrer rechten Hand am Rand eines riesigen steinernen Seifenhalters entlang. »Es ist mir nicht egal. Und ich habe nicht alles.« Ihre Stimme wurde lauter und wütender. Ihre Hand umschloss die Seifenschale. »Du weißt nichts von meinem Leben. Du weißt nicht …« Sie unterbrach sich, schüttelte den Kopf. »Ich gehe jetzt.«
Nein!
Wollte ich rufen.
Das darf nicht sein. Kein Streit.
Mein Magen krampfte sich panisch zusammen, wie immer, wenn sie stritten, selbst wenn sie nur so taten. Das Gefühl, das ich bei dem Gedanken bekam, dass unsere Freundschaft zerstört werden könnte, das Gefühl, wieder allein zu sein. Ich musste das hier in Ordnung bringen. Ich stellte mich vor die Tür, holte tief Luft, legte meine Hände an die Hüften und sagte: »Küsst euch und vertragt euch wieder, ihr beiden.«
Keine von beiden sagte etwas. Sie sahen mich beide an.
Dann sagte Langley: »Küsst euch und vertragt euch wieder. Ich wette, die Jungs draußen würden dafür bezahlen, um das zu sehen.«
Wir lachten alle, und die Spannung war gelöst.
Langley stand auf und legte die Arme um uns beide. »Tut mir leid. Ich war gerade so enttäuscht von Alex. Ich sollte nicht so blöd sein und einem Typen vertrauen. Ich liebe euch beide. Ihr seid die besten Freunde, die ich mir wünschen kann.«
Wir küssten unsere kleinen Finger, während wir sie zu einem Pinkie verhakten. »Alle für eine«, begann Langley, »und eine für alle«, beendeten Kate und ich.
Langley runzelte die Stirn, nahm mein Gesicht in die Hand und drehte es zum Licht. »Wo wir gerade beim Thema sind: Hier hat jemand nicht mehr genug Lipgloss. Du brauchst eine Auffrischung, bevor du David die Neuigkeiten erzählst. Zeig mal her.«
Ich schürzte die Lippen, und sie trug Lipgloss auf.
Ich erinnere mich noch genau an diesen Moment. Wir drei im Spiegel: Langley mit ihren hellblonden Haaren, Kate mit ihren honigbraunen und ich mit meinen rabenschwarzen. Ja, wie drei Märchenprinzessinnen. Ich dachte, das wäre mein Leben. Wie in einer Make-up-Werbung. Und es war perfekt.
Nur fünfeinhalb Stunden später würde ich halbtot in einem Rosenstrauch liegen.
Freitag
Fünftes Kapitel
I ch stand am Ende des Stegs und schüttelte den Kopf. »Komm schon, Jane«, versuchte die hübsche, brünette Betreuerin mich zu überreden. Sie war bereits im Wasser und winkte mir, ihr zu folgen. »Los, komm, das Wasser ist herrlich. Spring einfach!«
Ich hörte das Zirpen der Zikaden in den Sträuchern um den See herum, spürte die schwüle Luft des Mittelwestens auf meiner Haut und unter den nackten Füßen die rauen, hölzernen Bretter des Stegs.
Das Wasser war braun und voller Pflanzen. Das wusste ich, weil meine beste Freundin Bonnie es mir erzählt hatte. »Sie schlingen sich um deine Knöchel wie schleimige Tentakeln und lassen dich nicht los«, hatte sie gesagt und bedrohlich mit ihren Fingern vor meinem Gesicht gewackelt.
»Jane Freeman, du musst einfach springen«, ertönte eine andere Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah einen der Betreuer der Jungs, Cass. Ich war vom ersten Tag des Camps an in Cass verliebt gewesen, als
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