Wer schön sein will, muss sterben
und malte. Gegenüber von ihnen saß ein Mann mit dunklen Haaren in Lederjacke, der aussah wie ein Husky. Er trank einen Energydrink und las die New York Post.
Krankheit führte zu seltsamen Bettnachbarn.
»Hast du Geschwister?«, fragte ich Pete.
»Einige«, sagte er leichthin.
»Was heißt das?«
»Einige Stief-, einige Halbgeschwister und einen richtigen Bruder. Meine Eltern heiraten gerne.«
»Aber du lebst bei deinem Vater.«
»Im Moment ja.« Wir stiegen in den Fahrstuhl, und Pete drückte auf einen Knopf mit einem »M« darauf. »Leben ist zu viel gesagt. Ich wohne bei meinem Vater. Leben beinhaltet, dass man atmen kann, was in der erdrückenden Atmosphäre von Dr. Maliks Haus kaum möglich ist.«
Im polierten Messing der Türen konnte ich sein Spiegelbild sehen, verzerrt, aber deutlich genug, um zu erkennen, dass sein Gesichtsausdruck nicht so unbekümmert war wie sein Tonfall. Er lehnte an der Wand des Fahrstuhls und starrte auf mich herunter, ohne mich jedoch wirklich zu sehen. In seinen Augen sah ich Leere, seine Haltung drückte eine gewisse Schärfe aus. Pete war einsam.
Er blickte auf, erwischte mich dabei, dass ich ihn betrachtete, und lächelte. Sogar in dem unvollkommenen Messingspiegel war sein Lächeln filmstarweiß und umwerfend. Ich konnte gerade noch zurücklächeln, bevor die Türen sich öffneten.
Es stellte sich heraus, dass »M« ein Mezzanin war, eine Art überdachter Balkon, von dem man das Erdgeschoss des Krankenhauses überblickte. Hier waren die Wände bläulich-weiß und mit billigen Drucken von Strandszenen und europäischen Hauptstädten versehen. Doch selbst während ich das alles wahrnahm, war ich mir Petes Anwesenheit hinter mir peinlich bewusst. Als seine Fingerspitzen meine Schulter streiften, fuhr ich zusammen.
»Sorry«, sagte er sofort, ausnahmsweise einmal nicht scherzend.
»Kein Problem, das darfst du jederzeit wieder machen.« Das war nun genau das, was ich eigentlich
gar nicht
hatte sagen wollen, und ich wurde sofort rot. »Ich meine, macht nichts. Nichts passiert. Kein Foul. Kein …« Ich machte es nur noch schlimmer. Ich musste das Thema wechseln. Ich versuchte, an unser voriges Gespräch anzuknüpfen. »Ihr beide vertragt euch also nicht? Du und dein Dad? Warum wohnst du nicht bei deiner Mutter?«
Ich erwartete, dass er sich darüber lustig machte, dass ich keinen Ton herausbrachte, aber er schien fast erleichtert. »Dafür gibt es viele Gründe. Ein ziemlich guter ist, dass sie in Boise, Idaho lebt.« Die Spannung zwischen uns schwand.
»Könntest du nicht eine Wohnung hier in der Gegend mieten? Ich meine, du könntest doch woanders wohnen als bei deinem Dad.«
»Du stellst viele Fragen für ein krankes Mädchen.«
»Nur mein Körper ist krank, nicht mein Verstand.«
»Da hört man aber was anderes.« Er kicherte blöd.
Ich beschloss, mich zu revanchieren. »Wo gehst du eigentlich zur Schule? Ach nee, stimmt ja – du hast ja gesagt, du wärst ein totaler College-Versager …«
»Noch nicht. Ich hab noch nicht mal angefangen. Das sagt nur mein Vater vorher. Ich bin am Columbia angenommen, und falls er doch im Unrecht sein sollte, fang ich im September dort an. Aber er behält meistens recht.«
»Warum hält er dich für einen Versager?«
»Psst.« Er schob mich den Gang mit dem Linoleumboden entlang.
»Was? Was ist?«
»Hör mal.«
»Auf was?«
»Die Harmonie der Sphären.«
»Ich glaube, das ist die Klimaanlage.«
»Hast du nicht gesagt, du hättest Poesie in deiner DNA ?«
Wir gingen durch eine Glastür und kamen in einen holzverkleideten Gang mit dickem grünem Teppich.
»Was willst du überhaupt studieren?«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du Staatsanwältin werden solltest? Du bist echt unerbittlich.«
»Also?«
»Kannst du ein Geheimnis behalten?«
»Nein.«
»Zumindest bist du ehrlich. Okay, ich werde …«
Ein vornehm aussehender Mann mit dunkler Haut, etwas dunkler als Petes, dunklen Haaren, die an den Schläfen langsam ergrauten, einer Hornbrille und einem weißen Kittel über einem teuer aussehenden Nadelstreifenanzug ging vorbei, sah ein zweites Mal hin und kam zu uns zurück. »Hallo Peter. Was machst du auf diesem Stockwerk?« Er sprach mit einem leichten britischen Akzent.
Pete hatte plötzlich alle Lockerheit verloren und schien angespannt. »Ich bringe nur unsere Patientin an die Luft, Sir.«
»Bei den Verwaltungsbüros des Krankenhauses?«
»Sie mag die Plüschteppiche.«
Der Kiefer des Mannes spannte
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