Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
hartnäckiger verfolgen als jener Mann, der nach Friedhof gerochen hatte. Es war Fletchers Leben, das nun auf dem Spiel stand.
Es wäre zwecklos, ihm zu erzählen, dass ich das Tagebuch nicht bei mir hatte. Ohne es hätte ich wohl kaum meinen gefährlichen Weg zu Ross angetreten. Es gab nur eine Hoffnung. Er wollte mich daran hindern, Ross zu sehen, doch das Tagebuch war noch wichtiger für ihn.
Mein Vater war als junger Mann ein eifriger Kricketspieler gewesen. Als ich ein kleines Mädchen war, hat er mich manchmal an einem sonnigen Nachmittag, wenn er keine Patientenbesuche machen musste, mit auf den Hof genommen und mir den kleinen Schläger in die Hand gedrückt, den er selbst als Knabe benutzt hatte, und mir vorsichtige Würfe zugespielt. Manchmal hatte er auch mich werfen lassen und mir gezeigt, wie man es richtig machte. Mary Newling pflegte dann immer zur Küchentür zu kommen und ungehalten zu rufen: »Doktor! Das ist keine Beschäftigung für eine junge Lady!«
Doch es war eine Beschäftigung, welche die junge Lady von damals heute gut gebrauchen konnte. Glücklicherweise hielt Fletcher mich am linken Arm. Ich drehte mich von ihm weg, indem ich meinen rechten Arm hob, und schleuderte meine Handtasche in den Nebel davon, so kräftig ich konnte. Ich hörte, wie die Naht meines Kleides an der Schulter riss, doch mein Vater hätte mich zu diesem Wurf beglückwünscht. Die kleine Tasche segelte aus meiner Hand und verschwand in der Wand aus Nebel. Ich hörte nicht einmal, wie sie auf dem Boden landete.
»So«, ächzte ich zu Fletcher gewandt. »Wenn Sie das Tagebuch wollen, dann müssen Sie es schon suchen. Es war in dieser Tasche.«
Er fluchte und zögerte. Ich erkannte sein Dilemma. Im Nebel konnte er wohl kaum darauf hoffen, die Tasche schnell zu finden, wenn überhaupt. Hatte sich der Nebel aber erst einmal gelichtet, bestand die Möglichkeit, dass jemand anders die Tasche vor ihm fand: Eine verlorene Handtasche in einer Londoner Straße bleibt nicht lange herrenlos liegen.
Doch mein Fluchtplan war gescheitert. Fletcher stürzte nicht gleich davon, sondern hielt mich noch fester am Arm gepackt als zuvor.
»Das war sehr töricht, Miss Martin«, sagte er. »Ich muss selbstverständlich los und nach dieser Tasche suchen. Doch ich kann nicht zulassen, dass Sie in diesem Wetter herumlaufen, bis jemand Sie findet und zu Ihrem Freund Ross bringt. Los, kommen Sie!«
Er zerrte mich mit sich, und ich stolperte einige Schritte neben ihm her. Er suchte in seiner Tasche und zückte einen Schlüsselbund. Während er mich unverwandt und schmerzhaft am Arm gepackt hielt, machte er sich daran, die Tür vor uns aufzusperren.
Ich stieß einen Hilfeschrei aus, doch er sagte nur schroff: »Es ist niemand in der Nähe, der Sie hören könnte. Alle warten darauf, dass sich der Nebel verzieht, und bleiben solange in ihren Häusern.«
Seine eigene Tür stand nun offen – ich nahm an, dass es sein Haus war –, und er stieß mich vor sich her ins Innere und warf die Tür krachend hinter uns zu.
»Los, weiter!«, herrschte er mich an und schob mich durch einen langen dunklen Flur.
Ich stolperte weiter, so gut ich konnte, wobei ich immer wieder mit Möbelstücken zusammenstieß, und wir kamen durch eine weitere Tür. Fletcher schloss die Tür hinter uns, und ich hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte.
»Einen Augenblick«, sagte er.
Ich wartete, während er sich in der Dunkelheit von mir entfernte. Das Ratschen eines Sicherheitszündholzes ertönte, und ein weiches Licht flammte auf und tauchte den Raum in seinen trüben Schein. Fletcher hatte eine Öllampe entzündet. Ich sah, dass wir uns dem Augenschein nach in einem Esszimmer befanden, auch wenn es nicht danach aussah, als würde es häufig benutzt. Der Geruch von Staub hing in der Luft, und das Zimmer wirkte verlassen. Es gab einen Esstisch und Stühle, doch davon abgesehen nur einen kleinen Geschirrschrank. Ich sah keinerlei Geschirr, und die Wände waren kahl.
Fletcher drehte sich zu mir um, und ich bemerkte, dass er irgendwo zwischen der Straße und diesem Zimmer seinen Hut verloren hatte. Das Haar hing ihm wirr in die Stirn. Sein Gesicht war weiß und wirkte angespannt, und die Gläser seiner Brille vermochten die Wildheit in seinen Augen nicht zu verbergen. Wenn überhaupt, dann wirkte sie durch das Glitzern nur noch größer. Mit sinkender Hoffnung erkannte ich, dass ich nie imstande sein würde, vernünftig mit ihm zu reden.
»Sie haben die
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