Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
Sie selbst.«
Morris riss sich zusammen, überwand seine natürlichen Instinkte und beugte sich vor, um mir bei der genaueren Untersuchung behilflich zu sein. Wenn man ihm eine spezifische Aufgabe übertrug, vermochte er die menschlichen Überreste als reines Puzzle zu betrachten.
»Ein Schürhaken vielleicht?«, schlug er vor, nachdem wir beide durch Carmichaels Glas die Wunde betrachtet hatten.
»Zu schmal. Eher ein Gehstock oder eine Krücke mit einem metallenen Griffstück«, war meine Meinung.
»Die Waffe wurde jedenfalls mit beträchtlicher Kraft geschwungen«, sagte Carmichael hinter uns. »Der Angreifer wollte sie töten. Wir haben Spuren von mindestens fünf derartigen Schlägen.«
»Er war wütend«, murmelte ich. »Vielleicht war er eifersüchtig.«
»Zu dem Motiv des Angreifers kann ich Ihnen nichts sagen«, entgegnete Carmichael, »lediglich zu den Resultaten.«
»Ganz recht, Doktor. Was meinen Sie, Morris? Er stand vor ihr, ungefähr so …« Ich hob den Arm. »Und er hat sie geschlagen, so …« Ich brachte den Arm herab, hielt aber unmittelbar über dem Leichnam inne. »Er ist Rechtshänder, genau wie die Mehrzahl der Bevölkerung. Wo sind die Kleider der Toten?«
Carmichael, der ungerührt meine Aufführung verfolgt hatte, nickte in Richtung der anderen Seite des Raums. »Auf dem Tisch dort.«
Die Kleidung der Frau war sorgsam entfernt worden und lag gefaltet auf einem Untersuchungstisch. Morris hatte Recht gehabt mit seiner Einschätzung. Ein Kleid aus lavendelfarbenem Popeline von guter Qualität. Unterrock, Korsett, ein Baumwollhemdchen und -schlüpfer, Strümpfe, Kinderstiefel, alles ohne Ausnahme von guter Qualität und alles rätselhaft für mich. Die Sachen waren schmutzig, doch es war ein oberflächlicher Schmutz, nichts, was nur selten oder gar nicht gewaschen wurde und worin sich der Schmutz festgesetzt hatte. Die äußere Garderobe, also das Popelinekleid, war am schmutzigsten, verschmiert mit Schlamm und irgendetwas Grünlichem. Ich warf einen genaueren Blick darauf. Es war eine Art Schimmel und dorthin gekommen, als das Kleid über etwas Modriges gescheuert hatte. Das Material selbst war nicht modrig. Die Unterwäsche war sauberer: Nur das Baumwollhemdchen hatte Schweißflecken. Ich nahm an, dass die Unterwäsche der Unglücklichen erst nach dem Tod beschmutzt worden war.
Ich nahm die kleinen Stiefel zur Hand und drehte sie um. Die Sohlen waren nicht geflickt, doch das Leder hatte sich ihrem Fuß angepasst; also waren sie nicht neu. Ein Paar guter Stiefel hatte ihr lange Zeit gedient. Das, zusammen mit der züchtigen Garderobe, legte die Vermutung nahe, dass sie nicht zu jener Sorte junger Frauen gehört hatte, die auf der Suche nach Kunden auf den Straßen herumliefen. Außerdem war sie nicht häufig über Kopfsteinpflaster gelaufen, nur hin und wieder zur Kirche oder zum Einkaufen oder um den ein oder anderen Besuch in der Nachbarschaft zu tätigen.
»Keine Haube und kein Hut«, sagte ich an Morris gewandt. »Und kein Schal, kein Umhängetuch. Und doch sind es nicht die Sachen einer armen Person. Zwar auch nicht die einer reichen Frau, aber die einer respektablen. Keine Straßendirne jedenfalls.«
»Wer hat sie gefunden?«, fragte Carmichael. Ich sagte ihm, dass es Arbeiter auf der Baustelle gewesen waren, und er meinte nur: »Wahrscheinlich haben sie zuerst die Haube oder den Hut oder Schal und überhaupt alles, was sich verkaufen lässt, weggenommen, bevor sie Alarm geschlagen haben.«
Morris beeilte sich, Carmichaels voreingenommener Sicht der Arbeiterschaft zu widersprechen. »Die beiden Männer waren meiner Meinung nach viel zu schockiert, um auch nur an so etwas zu denken, Sir«, erklärte er.
»Wie auch immer«, sagte ich, »wir haben nur das, was wir hier sehen, und diese Sachen verraten uns, dass die Tote eine junge Frau war, die unter normalen Umständen auf ihr Aussehen geachtet hat. Die Strümpfe sind sorgfältig gestopft, auch wenn ein Zeh ein kleines Loch aufweist. Ich denke, Sergeant, dass sie nicht in diesem Zimmer gestorben ist. Sie starb woanders, möglicherweise in der Nähe, und ihre Leiche wurde dorthin geschafft. Sie ist klein und zierlich. Es gibt überall Handkarren und Schubkarren auf diesem Baugelände. Es wäre nicht weiter schwierig gewesen, sich eine davon zu nehmen, sie hineinzulegen und etwas über sie zu werfen.«
»Bestimmt hätte irgendjemand etwas gesehen, Sir.«
»Des Nachts? Ich bezweifle, dass das Gelände bewacht wird. Es gibt
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