Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
Das letzte Zimmer im Erdgeschoss befand sich unmittelbar hinter der Eingangstür auf der rechten Seite, und ich hatte es noch nicht gesehen. Ich drehte den Knopf und drückte die Tür auf.
Zwei augenblicklich vertraute Gerüche stiegen mir in die Nase: Buchleder und kalter Zigarrenrauch. Dies musste die Bibliothek sein, in die sich Frank und Dr. Tibbett nach dem Abendessen zurückgezogen hatten. Der Raum lag im Dunkeln; also nahm ich mir die Freiheit, die schweren Vorhänge beiseitezuziehen und das morgendliche Sonnenlicht hereinzulassen. Es war ein kleines Zimmer mit Bücherregalen auf allen Seiten und einem schweren, mit Leder überzogenen Schreibtisch in der Mitte, vor dem ein Sessel stand. Zwei bequemere Ohrensessel, ebenfalls lederbezogen, standen zu beiden Seiten des Kamins. Mich gelüstete danach, einen genaueren Blick auf die Bücher zu werfen, und ich stellte mir vor, wie ich mich in einen der Ohrensessel zurückzog, um zu lesen – falls Mrs Parry mir lange genug frei gab dazu.
Über dem Kamin hing das Porträt eines attraktiven Mannes mit dichtem dunklem Haar und einer Aura des Wohlstands. Irgendetwas an seinem Gesicht kam mir vertraut vor, und ich erinnerte mich vage an einen Besucher in unserem Haus, als ich noch sehr jung gewesen war, vielleicht sechs Jahre oder so.
Ich wusste, dass ein Besucher kommen würde, lange bevor er eintraf, weil Mary Newling ununterbrochen in ihrer Küche stand und Speisen vorbereitete. Kessel mit Suppe wurden täglich neu aufgekocht, um zu verhindern, dass sie sauer wurde. Es gab einen wunderbaren Kuchen, ein Monster seiner Art, dicht gespickt mit Trockenfrüchten und verziert mit gerösteten Nüssen. Ich durfte nicht von ihm naschen unter Androhung der Strafe, kein einziges Stück davon zu bekommen, wenn er später angeschnitten wurde. Fliegen surrten über dem Fleischtresor, in dem eine große rosige Schweinskeule in ihrem eigenen Blut auf den Tag der Ankunft des Besuches wartete, um zum Bäcker geschickt zu werden, der sie in seinem Ofen garen würde, sobald er mit seinen Broten fertig war. Es war eine Stimmung wie Weihnachten, selbst wenn dieser Feiertag noch Monate in der Zukunft lag.
Ich war während der Ankunft des Besuchers in meine Kinderstube verbannt, und alles, was ich von ihm sehen konnte, war sein Kopf, als er aus dem zweisitzigen Ponywagen stieg, der geschickt worden war, um ihn abzuholen. Molly Darby, mein Kindermädchen, lehnte neben mir aus dem Fenster und sah zu ihrer großen Enttäuschung nicht mehr von ihm als ich. Später wurde ich nach unten gerufen in unser kleines Wohnzimmer, um dem Fremden vorgestellt zu werden. Molly straffte meine Kleider, glättete mein Haar und instruierte mich: »Benimm dich wie eine Lady, Miss!«
Es war ein guter Rat, den ich leider unmöglich befolgen konnte, weil ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie sich eine Lady in Gesellschaft benahm. Niemand hatte es mir je beigebracht.
Ich sprang unter großem Lärm die Holztreppe hinunter und platzte brennend vor Neugier ins Zimmer. Doch dann blieb ich wie angewurzelt stehen, als ich vor mir den großen Mann mit dem traurigen Gesicht erblickte, der ganz in Schwarz gekleidet war. Für einen Augenblick war ich völlig verwirrt. Doch seine Augen sahen mich freundlich an, und mein Anflug von Schüchternheit legte sich wieder.
»Wen haben wir denn da?«, fragte er. »Du bist also die kleine Miss Martin. Es ist mir eine Ehre, deine Bekanntschaft zu machen.«
»Ich bin Miss Martin«, informierte ich ihn, indem ich die mir dargebotene Hand ergriff und fest schüttelte. »Aber meistens werde ich nur Lizzie genannt, wissen Sie? Wenn ich älter bin, werde ich Miss Martin sein und eine Haube mit Kirschen darauf tragen, wenn ich in die Kirche gehe.«
Mein Vater, der am Kamin saß, gab ein leises Stöhnen von sich, doch der Besucher kicherte.
»Du musst ihr und mir vergeben, Josh«, sagte mein Vater. »Sie ist ein wildes, kleines Ding und eine komplette Ignorantin; doch das ist meine Schuld.«
Ich sah eine Karaffe aus geschliffenem Glas mit Gläsern auf einem kleinen Beistelltisch. Ich wusste, dass sie einen teuren Wein enthielt und nur bei ganz besonderen Gelegenheiten hervorgenommen wurde. Ich dachte, dass die Gesichtsfarbe meines Vaters rosiger war als für gewöhnlich, doch das kam vielleicht daher, dass er am Feuer saß.
»Was ist daran zu vergeben?«, entgegnete Josh. »Sie scheint mir ein aufgewecktes Kind zu sein und sieht Charlotte sehr ähnlich.«
»Ja«, sagte mein
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