Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
Richtung ich nehmen sollte. Während ich dort stand und überlegte, kam jemand oder etwas hinter mir heran, und sein warmer Atem schlug mir in den Nacken.
Ich ächzte und schrak mit einem schmerzhaften Ziehen in der Brust hoch. Mein Kopf hatte in ungünstigem Winkel auf der Oberkante der Lehne gelegen, und mein Hals war steif. Vorsichtig hob ich den Kopf, um mir den Hals zu reiben. Während ich dies tat, wurde mir bewusst, dass das Atmen, das ich in meinem Traum gehört hatte, immer noch da war, und es war nicht meines, sondern das einer anderen Person. Mein Kerzenstumpen war niedergebrannt und durch eine neue Kerze ersetzt worden. Ich wollte mich gerade aus meinem Sitz erheben, als ich im Licht der flackernden Flamme feststellte, dass ich nicht länger allein in der Bibliothek war.
Frank Carterton saß in dem anderen Lehnsessel und beobachtete mich trübsinnig. Er hatte die Beine ausgestreckt, und die Finger seiner rechten Hand strichen über sein Kinn. Sein Schatten äffte die Bewegungen an der Wand hinter ihm nach, sodass es aussah, als wären es zwei Personen, nicht eine, und in meinem benommenen Zustand vermochte ich nicht recht zu unterscheiden, welche von ihnen die reale war.
»Wie spät ist es?«, rief ich aus und packte die Sessellehnen. Der Gedichtband polterte aus meinem Schoß und auf den Teppich zu meinen Füßen.
»Kurz nach Mitternacht«, antwortete Frank und ließ die rechte Hand sinken.
»Wie lange bist du schon hier?«
»Oh …« Er und sein Schatten zuckten mit den Schultern. »Vielleicht eine halbe Stunde?«
»Du hast mich erschreckt!«, sagte ich. »Ich habe dich nicht kommen hören.«
Ein Mundwinkel zuckte, als wolle er grinsen. Ich empfand das als unangemessen. »Verzeih mir. Ich habe Simms gesagt, dass ich einen Schlüssel habe, und falls er die Tür unverriegelt lassen würde, müsste er nicht aufbleiben, um auf mich zu warten. Ich würde nicht allzu spät zurückkehren, und ich würde ganz sicher nicht, na ja, ich würde ganz sicher nicht wieder im gleichen Zustand nach Hause kommen wie gestern Abend. Wie du siehst, bin ich nicht betrunken.«
»Was machst du hier drin?« Ich schaffte es noch immer nicht, meine Sinne beieinanderzuhalten.
»Ich dachte, ich rauche noch eine Zigarre, bevor ich mich hinlege. Als ich reinkam, hast du im Sessel geschlafen. Ich wollte dich nicht wecken, aber ich wollte dich auch nicht allein lassen.«
»Dann lasse ich dich jetzt mit deiner Zigarre allein«, sagte ich und machte Anstalten, mich zu erheben.
Frank beugte sich vor und bedeutete mir mit einem Wink, mich wieder zu setzen. »Geh nicht, Lizzie. Ich möchte mit dir reden.«
»Du kannst beim Frühstück mit mir reden!«, entgegnete ich heftig. Mein Verstand funktionierte endlich wieder so, wie er sollte, und ich war ärgerlich auf ihn.
»Aber beim Frühstück gleitet Simms ständig rein und raus, und vertu dich nicht – Simms hat das Gehör einer Fledermaus.«
»Ist das, was du mir zu sagen hast, denn so privat?«, erkundigte ich mich.
»Ja, das ist es, Lizzie. Ich möchte mit dir über Madeleine reden. Ich bin sicher, dass sie unten in der Küche über nichts anderes mehr schwatzen, aber sie haben den Vorteil, dass wir ihre Gespräche nicht hören können.«
»Die Polizei war heute hier, um das gesamte Personal zu vernehmen«, sagte ich.
Frank kicherte. »Jede Wette, dass sie nichts aus ihnen rausgekriegt hat. Simms hat bestimmt dafür gesorgt. Natürlich nur, falls es überhaupt irgendetwas gibt, das irgendeiner von ihnen unseren unerschrockenen Gesetzeshütern erzählen könnte. Aber Simms ist die Ehre dieses Hauses lieb und teuer. Genauso wie sein eigener Ruf.«
»Sein Ruf?«, fragte ich.
»Nun ja. Der Butler in einem Haus gewesen zu sein, wo jemand ermordet worden ist, wäre keine Empfehlung für ihn, falls er sich woanders in einer neuen Position bewerben würde. Nicht, dass er vorhat, uns zu verlassen, soweit ich weiß. Er und Mrs Simms haben es sehr komfortabel hier.« Frank bückte sich und hob den Gedichtband auf. Er las den Titel auf dem Buchrücken. »Ich bin kein großer Freund von Poesie«, bemerkte er.
Vorsichtig legte er das Buch auf einen kleinen Tisch neben seinem Sessel. »Inspector Ross hat mich gefragt, ob mir an Miss Hexhams Verhalten etwas aufgefallen sei, bevor sie uns verließ, irgendetwas, das darauf hindeutete, dass sie mit den Gedanken woanders oder liebeskrank wäre oder so. Ich sagte ihm Nein. Und das stimmt. Ich habe ihr nur sehr wenig Beachtung
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