Wer sich nicht fügen will
sorgfältig!«
Ich grinste Hakkarainen an, der selbst absolut sorgfältig und zuverlässig war. In der Cafeteria hatte ich einmal gehört, wie er aufgebracht über eine amerikanische Fernsehserie herzog, die die Arbeit der Spurensicherung zeigte. »Da machen gewöhnliche Kriminaltechniker mal eben am Mikroskop eine DNA-Analyse. Ausgekochter Blödsinn!«, hatte er empört gerufen.
Lulus Handtasche hing unter dem Pelzmantel am Kleiderhaken, die Techniker packten sie ein. Ich trat auf den schmalen Flur. Es gab insgesamt sechs Garderoben; an einer stand »Ilari«. Ich drückte die Klinke herunter, aber die Tür war abgeschlossen. Die Toiletten befanden sich am Ende des Flurs. Ich überlegte, wie sich ein zufälliges Zusammentreffen der Gäste verhindern ließ, wenn alle dieselben Toiletten benutzen mussten. Zum Glück gab es die Aufzeichnungen der Überwachungskameras – wir mussten sie uns unbedingt ansehen. Zuerst wollte ich jedoch wissen, wer Lulu Nightingale zuletzt lebend gesehen hatte. Ich ging ins Studio zurück, wo Mikkola noch mit der Abnahme der Fingerabdrücke beschäftigt war. Ilari Länsimies telefonierte und stieß dabei einige Flüche aus; in der Telefonzentrale des Senders liefen bestimmt die Drähte heiß. Auch mein Handy verzeichnete fünf neue Anrufe. Ich bedeutete Länsimies, dass ich mit ihm reden wollte. Der eine der beiden Kameramänner rauchte eine Zigarette nach der anderen. Terhi Pihlaja saß mit geschlossenen Augen in ihrem Sessel. Anna-Maija Mustajoki wirkte gefasster als alle anderen, aber bei genauerem Hinsehen entdeckte ich auch auf ihrer Stirn Schweißperlen. Das mochte allerdings an der Hitze liegen: Es war immer noch niemand auf die Idee gekommen, die Scheinwerfer abzuschalten.
»Wir setzen uns gleich morgen früh mit Ihnen allen in Verbindung und vereinbaren einen Termin für Ihre Befragung«, kündigte ich an.
»Ich muss aber morgen wieder zu Hause sein, in Vesanto«, sagte Mauri Hytönen. Ich warf Puupponen einen Blick zu. Am besten befragten wir Hytönen sofort; wenn nötig, würden wir später die Kollegen in seiner Heimatstadt um Amtshilfe bitten.
»Ich weiß nicht, wer es getan hat!«, brüllte Länsimies in sein Handy und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ich berührte ihn am Arm und sah ihn so fordernd an, wie ich nur konnte.
»Die Polizei will mich sprechen«, erklärte er, offensichtlich froh über einen Vorwand, das Telefonat zu beenden. Wieder rieb er sich mit seinem rot karierten Taschentuch über Stirn und Nacken.
»Entschuldigung. Das war der Chef des Senders. So einen Vorfall hat es in der finnischen Fernsehgeschichte noch nie gegeben.«
»Nur ein paar Fragen, den Rest erledigen wir morgen. Können Sie mir sagen, wer Lulu Nightingale hier im Studio gesehen hat?«
»Das ist einfach: nur Riitta und ich. Wir hatten Lulu gebeten, um halb neun zu kommen, Riitta hat sie am Eingang in Empfang genommen, ich habe sie kurz vor Beginn der Sendung begrüßt. Das mache ich immer so, ich sage jedem Gast guten Tag und stimme ihn ein bisschen auf das Thema ein.«
»Wer wählt die Gäste aus?«
»Dieselbe Antwort: Riitta und ich. Wir beide sind die West Man Productions. Meine Frau besitzt ein Viertel der Aktien, aber an der konkreten Planung beteiligt sie sich nicht. Das Beste an dieser Sendung ist ja eben, dass ich über den Inhalt weitgehend selbst entscheiden kann.«
»Wie viele Personen wussten, dass Lulu Nightingale der letzte Gast der Talkshow sein sollte?«
»Wieder: Riitta und ich, ach ja, und unsere Maskenbildnerin Nuppu. Mit den Kameraleuten und dem Tonmeister habe ich wohl auch darüber gesprochen. Lulu ist … war ja eine, für die sich jeder Mann interessiert.«
»Der Fernet Branca in ihrer Garderobe … hat den der Sender spendiert, oder hat Lulu die Flasche selbst mitgebracht?«
»Was für eine Flasche?«, fragte Länsimies zurück. »Vielleicht wollte sie sich Mut antrinken, was weiß ich. Wir schenken hier jedenfalls keinen Alkohol aus.«
»Sie haben die Flasche also nicht bemerkt, als Sie in Lulus Garderobe waren?«
Länsimies schüttelte den Kopf. Sein Handy klingelte wieder, ich ließ ihn antworten. Er würde seine Aussage bei der offiziellen Vernehmung ohnehin wiederholen müssen. Ich vergewisserte mich nur noch, dass die Kameramänner und der Tonmeister sich seit vier Uhr im Studio oder dem dahinter liegenden Pausenraum aufgehalten hatten. Während der Sendung hätte sich keiner von ihnen in den Garderobenflur schleichen können, ebenso
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