Wer sich nicht fügen will
Überwachungskameras im Studio ansieht, und dazu noch einen Mann für die Vernehmungen, damit wir drei Zweierteams bilden können.«
»In Otaniemi findet gerade die Kernforscherkonferenz statt, da ist die Schupo restlos im Einsatz. Ich werde mal mit Aaltonen reden, aber die Drogenfahndung hat auch mehr als genug zu tun. Verdammt nochmal, die Budgetheinis sollten sich mal angucken, was an der Basis läuft. Und den Taskinen, den Drückeberger, den hab ich sowieso gefressen, der hat nämlich genau gewusst, dass keine Vertretung für ihn eingestellt wird. Also sieh zu, dass du mit den Leuten auskommst, die du hast!«
Ich schnitt eine Grimasse, denn die Atomkonferenz hatte ich völlig vergessen. Im Allgemeinen übernahmen unsere Helsinkier Kollegen die schutzpolizeilichen Aufgaben bei internationalen Veranstaltungen, doch diesmal war Espoo an der Reihe. Die funktionierenden Sicherheitsvorkehrungen waren ein wesentlicher Grund gewesen, weshalb Finnland als Austragungsort der Konferenz gewählt worden war. Allerdings planten die Atomkraftgegner für Samstag eine Demonstration, an der auch Antti teilnehmen wollte. Wer weiß, ob sich das einrichten ließ, denn ich würde wahrscheinlich das ganze Wochenende arbeiten müssen.
Nach dem Gespräch mit Kaartamo musste ich davon ausgehen, keine Hilfe zu bekommen, nicht einmal zur Überprüfung der Überwachungsvideos. Puustjärvi und Autio konnten damit anfangen, anschließend mussten sie Lulu Nightingales Kontakte zu anderen Prostituierten recherchieren. Ursula und Puupponen würden die heute anstehenden Vernehmungen durchführen, und Koivu sollte die Haussuchung übernehmen. Wenn sonst niemand frei war, würde ich ihn begleiten müssen. Der Gedanke, das Sexstudio zu inspizieren, war mir irgendwie zuwider. Warum eigentlich? Bisher hatten mich die sexuellen Vorlieben anderer Menschen nicht gestört. Unter meinen Bekannten gab es alle möglichen Typen, durch sie hatte ich Schwulenbars und Fetischklubs kennen gelernt, und meine Ermittlungstätigkeit hatte mich auch schon mal in ein Stripteaselokal geführt. Eigentlich warf mich also so leicht nichts um.
In der Tiefgarage war es noch still, ich konnte quer über die leeren Parkflächen zu meinem Stellplatz fahren. An meiner Tür hing ein Zettel von Puupponen: »Lulu Nightingales Personalien in deiner Mailbox«. Während der Computer das Programm hochlud, wechselte ich die Schuhe und tuschte mir die Wimpern. Zum Glück entdeckte ich in der Schublade ein paar Salmiakpastillen, die ich beim Lesen lutschte.
»Lilli Julia Mäkinen, heute Lulu Julia Mäkinen, geb. 15.11.1973 in Inkoo. Die Eltern wohnen noch dort, ich habe die dortigen Kollegen gebeten, sie zu benachrichtigen. Der Bruder wohnt in Espoo-Karakallio, die Schwester in Salo, beide sind älter als Lulu. Lulu ist in Helsinki gemeldet, in der Punavuorenkatu 6. Abitur in Virkkala 1992, au pair in Zürich 1993 bis 95, Arbeit in der Gastronomie ebendort 1995 bis 97. (Maria, ich war vorletzten Sommer in Zürich – da gibt es irrsinnig viele Sexclubs!) Rückkehr nach Finnland 1997, angestellt im Restaurant Mermaid, gründete 1999 die Frivole Nachtigall. Anklage wegen Kuppelei 2001, Freispruch aus Mangel an Beweisen. Verurteilung wegen Beteiligung an leichter Körperverletzung 2003, 500 € Geldstrafe. Der Täter war Lulus Gorilla, Tero Sulonen, für ihn 1000 € Geldstrafe. Beide behaupteten, das Opfer habe sie zuerst angegriffen; passiert ist das Ganze in einem öffentlichen Lokal, im Mikado. Der Kläger war offenbar ein ehemaliger Freier von Lulu, das überprüfe ich morgen noch genauer.
Unverheiratet, keine Kinder. Wer könnte über eventuelle Freunde Auskunft geben? Drogenkontakte noch nicht gecheckt, die finanzielle Seite auch nicht, aber ich hau mich jetzt aufs Ohr. Ich komme morgen früh genug, um die Angaben vor der Besprechung zu ergänzen. Ville P.«
Puupponen hatte seine Mail um zwei Uhr abgeschickt. Er wohnte in Kilo, mit dem Rad brauchte er nur fünf Minuten zum Präsidium. Sein Kommentar über die Züricher Sexbars fiel mir auf, denn Puupponen sprach selten über sein Privatleben. Vor einigen Jahren hatte er mir sein Manuskript zu einem Kriminalroman zu lesen gegeben, in dem er das chauvinistische Frauenbild harter Detektivromane parodierte. Aus der Lektüre hatte ich den Eindruck gewonnen, dass er in seinen privaten Beziehungen zu Frauen eher unsicher war. Bei der Arbeit kam er mit allen aus, nur der grantige Pertti Ström, der vor einigen Jahren Selbstmord begangen
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