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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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der Fernet Branca spielt eine Rolle, nicht wahr?«
    Ilari Länsimies war es gewohnt, Menschen auszufragen, aber ich auch. Wir verhielten uns wie zwei Katzen, die sich gegenseitig belauern. Allerdings befanden wir uns in seinem Revier. Trotzdem gab ich auf die Frage nach der Flasche keine Antwort. Offensichtlich ärgerte sich Länsimies über meine Verschwiegenheit, denn er warf einen Blick auf die Uhr und sah das Handy, das er auf den Tisch gelegt hatte, an, als hoffte er, es würde klingeln. Eine zweite Tasse Kaffee bot er uns nicht an. Die Schokoladentörtchen hatte Koivu verputzt.
    »Nordström ließ keinen von uns in die Nähe der Leiche. Er war keine gute Wahl für die Talkshow, zu trocken und kurz angebunden. Aber es war schwierig, überhaupt einen Polizisten zu finden, der bereit war, einen Kommentar abzugeben. Nordström war der fünfte, den ich gefragt habe. Selbst der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium war zu beschäftigt.« Länsimies wirkte fast ungehalten; offenbar meinte er, jeder müsse darauf brennen, an einer Fernsehdiskussion teilzunehmen.
    »Erzählen Sie mir von dem Begrüßungsbesuch, den Sie Lulu vor der Sendung abgestattet haben.«
    »Ich gehe zu jedem Gast in die Garderobe, um ihn willkommen zu heißen und in Stimmung zu bringen. Bei Lulu war ich kurz vor neun. Sie legte gerade letzte Hand an ihr Make-up und sah phantastisch aus. Ich hatte den Eindruck, dass sie strahlender Laune war, sie lachte und wirkte sehr selbstsicher.«
    »War sie nüchtern?«
    »Um das zu beurteilen, kannte ich sie nicht gut genug. Auf den ersten Blick wirkte sie jedenfalls nicht betrunken, und ich habe auch keine Flasche auf ihrem Tisch gesehen. Natürlich gibt es bei Livesendungen immer ein gewisses Risiko. Einmal mussten wir kurzfristig auf die Teilnahme eines Dichters verzichten, weil er völlig betrunken war. Da hatten Riitta und ich ganz schön zu improvisieren.«
    Länsimies meinte, Lulu habe keinesfalls verängstigt gewirkt, eher erwartungsvoll. Dass sie ihren Leibwächter mitbrachte, hatte sie nicht weiter begründet, sondern nur gesagt, er begleite sie immer. Länsimies hatte nichts dagegen gehabt, sofern Sulonen sich nicht vor den anderen Gästen blicken ließ.
    »Wäre es nicht praktischer für ihn gewesen, in Lulus Garderobe zu warten?«
    »Er äußerte selbst den Wunsch, im Kontrollraum zu sitzen. Vielleicht wurde Lulu tatsächlich bedroht, und Sulonen hoffte, den Betreffenden gegebenenfalls aufhalten zu können … Der arme Teufel, dazu hat er nicht das Zeug.« Länsimies zuckte die Achseln. »Diesen Mann anzuheuern war wohl einer von Lulus wenigen Fehleinschätzungen gewesen. Denn mit Muskeln allein ist es beim Personenschutz nicht getan, das habe ich in den USA gelernt. Die echten Profis verfügen über einen ähnlichen Instinkt wie Tiere, der sie befähigt, Situationen vorherzusehen und mit ihnen fertig zu werden. So wie damals bei dem Attentat auf ihn.«
    Er zeigte auf das Foto von Reagan. Es war etwa zwanzig Jahre alt, Länsimies hatte darauf lockigere Haare ohne eine Spur von Grau. Beide Männer trugen legere Freizeitkleidung, im Hintergrund waren Pferde zu sehen.
    »Ins Studio kommt man nur mit Schlüssel, und jeder, der das Gebäude betritt, wird von der Überwachungskamera erfasst. Eigentlich müsste es Ihnen leicht fallen, den Schuldigen zu finden«, fuhr Länsimies fort und lächelte mich ermutigend, zugleich aber auch ein wenig herablassend an.
    In dem kurzen Telefonat mit Puustjärvi hatte ich erfahren, dass während der Aufzeichnung kein Außenstehender das Fernsehstudio betreten hatte. Allerdings hatte Sulonen nicht ununterbrochen im Kontrollraum gesessen; vielleicht hatte der kurze Moment, in dem er Lulu das Glas gebracht hatte, dem Killer die Chance gegeben, in das Gebäude einzudringen. Profis ließen sich nicht durch Schlösser aufhalten, und wenn tatsächlich jemand geplant hatte, Lulu im Studio zu töten, hatte er sich bestimmt im Voraus über das Kontrollsystem informiert.
    Ursula war bei der Obduktion anwesend, die zurzeit stattfand und hoffentlich Aufschluss über die Todesursache geben würde. So wie Lulu gelegen hatte und wie ihre Glieder verkrampft waren, deutete alles auf eine Vergiftung hin. Das wiederum konnte vieles bedeuten, vom kaltblütigen Mord bis zur Selbsttötung.
    Mein Handy piepte, die Kurznachricht war lakonisch. »Muss verschieben, kann erst halb vier. Lasse Nordström.« Ich unterdrückte einen Fluch. Nordström wollte mir demonstrieren, dass er

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