Wer sich nicht fügen will
ging zu seiner Frau und legte die Hand auf ihre Schulter. Die Katze erhob sich, wie um ihn zu begrüßen, Saarnio streichelte sie lächelnd. Seine Frau hatte die Augen geschlossen und wirkte wieder still und gefasst. Koivus Laptop machte pling!, als er das Vernehmungsprotokoll speicherte.
»Ich meine, was ich sage, Frau Kommissarin. Wir bemühen uns, kooperativ zu sein, und erwarten dasselbe auch von Ihnen. Können Sie irgendetwas tun, damit wir nicht pausenlos von Reportern angerufen werden? Ich möchte nicht noch mehr Schlagzeilen dieser Art.« Er hielt mir die eine der beiden Boulevardzeitungen hin: FRAU VON TOPMANAGER FINDET LEICHE EINES FREUDENMÄDCHENS. Ich hatte bisher nur die Morgenzeitung gelesen, diese Schlagzeile war mir neu.
»Das ist natürlich unangenehm, aber in Finnland herrscht Pressefreiheit, und die Überschrift entspricht leider der Wahrheit.« Ich gab zuerst Frau Saarnio die Hand, dann ihrem Mann. Die Katze sprang auf den Boden und begleitete uns gemeinsam mit Arto Saarnio in den Flur. Ich bückte mich, um sie zu streicheln.
»Ein schönes Tier.«
»Und klug ist sie obendrein, unsere Miisi. Sie läuft an der Leine wie ein Hund, anders darf man sie ja nicht ins Freie lassen, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen.« Arto Saarnio grinste, sein Gesicht überzog sich mit Lachfältchen.
»Ja, da müssen Sie aufpassen, die Geldstrafe ist ziemlich saftig«, lächelte ich zurück. Dabei hätte ich ihm eigentlich wegen der Kündigungen bei Copperwood zusetzen müssen. Ich würde es nie wagen, meiner Schwester zu erzählen, dass ich freundlich mit dem berüchtigten Sanierer-Saarnio geplaudert hatte.
»Und jetzt?«, fragte Koivu, als ich den Wagen startete und den vereisten Hügel hinab zur Hauptstraße fuhr.
»In die Kirche. Vielleicht finden wir da Hilfe«, erwiderte ich und bog nach Tapiola ab. Terhi Pihlaja hatte versprochen, sich zwischen einer Hochzeit und einer Beerdigung Zeit für uns zu nehmen.
SIEBEN
Ich hatte im Lauf der Zeit Gefallen an der modernen Kirche von Tapiola gefunden, die mir beim ersten Besuch vor vielen Jahren kalt und abweisend erschienen war. Viele Erinnerungen waren mittlerweile mit ihr verbunden, leidvolle und glückliche. Hier hatte der Trauergottesdienst für meinen Kollegen Palo stattgefunden, und auch Anttis Vater war in dieser Kirche ausgesegnet worden. Die Hochzeit von Anttis Vetter im letzten Sommer gehörte zu den schönen Erinnerungen. Terhi Pihlaja war ich bei keiner dieser Zeremonien begegnet. Als wir den Vorraum betraten, hörten wir Orgelmusik. Die Kleidung der Versammelten ließ darauf schließen, dass gerade eine Trauerfeier stattfand.
»Guten Tag!« Terhi Pihlaja kam hinter den Kleiderständern hervor. »Für diesen Trauergottesdienst ist mein Kollege zuständig, ich bin in einer Stunde an der Reihe. Gehen wir hinüber ins Pfarramt. Hier entlang, bitte.«
In Terhi Pihlajas Arbeitszimmer sah es wüst aus: Auf Tisch und Fußboden stapelten sich Papiere und Bücher. Die Stühle waren zwar leer, aber es gab nur zwei. Die Pastorin holte sich einen Hocker aus dem Nebenzimmer. Koivu schob die Papiere auf dem Tisch ein Stück zur Seite, um Platz für seinen Laptop zu schaffen. Dabei fiel mir ein Blatt vor die Füße, das Programm für den Konfirmandenunterricht. An der Wand hing ein Gemälde, das die Madonna mit Kind zeigte und in der kargen lutherischen Umgebung auffallend katholisch wirkte.
Terhi Pihlaja war einunddreißig und hatte nach der Ordination zuerst in Lohja gearbeitet, bevor sie nach Tapiola versetzt wurde. Sie wohnte nur einige Häuser von mir entfernt und sagte, sie habe mich gelegentlich joggen gesehen.
»Ich begnüge mich mit Nordic Walking, meine Gelenke halten das Laufen nicht aus. Beim Gehen fällt es mir leichter, Predigten zu entwerfen, als am Schreibtisch. Ich nehme an, der Polizistenberuf ähnelt dem des Pfarrers, man hat es häufig mit Menschen zu tun, die schweres Leid erfahren haben.«
»Stimmt. Aber ihr habt wenigstens noch die Taufen und die Hochzeiten, bei uns gibt es solche frohen Ereignisse nicht. Und ihr dürft an Talkshows teilnehmen. Warum hat Ilari Länsimies ausgerechnet dich zu seiner Sendung eingeladen?«
»Wir haben kürzlich beide einen Vortrag gehalten, bei einem Seminar über das Verhältnis zwischen der Kirche und den Medien. Darüber habe ich vorzeiten meine Magisterarbeit geschrieben. In meinem Vortrag habe ich mich kritisch darüber geäußert, dass die Kirche in den Medien als restriktive Institution
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