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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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das nicht mehr vor. Einen drei Jahre älteren Jungen angreifen – warum sollte Iida so etwas tun?
    Als Jugendliche hatte ich beim Fußballspielen nicht gezögert, auch körperlich überlegene Gegner zu tackeln, aber grundlos hatte ich nie jemanden angegriffen. Sicher, heutzutage gingen auch Mädchen mit den Fäusten aufeinander los, doch bisher hatte ich geglaubt, diese Aggressivität käme erst in der Pubertät, wie bei den drei vierzehnjährigen Mädchen, die Koivu im Frühwinter vernommen hatte. Sie hatten eine Klassenkameradin krankenhausreif geprügelt und als Grund angegeben, das Opfer sei »zu großkotzig« gewesen.
    Puustjärvi klopfte an, er brachte gute Nachrichten.
    »Die EDV-Experten haben Lulus Computer endlich geknackt! Die einzelnen Dateien müssen sie noch durchsehen, aber ein Dateiname lautet jedenfalls ›Kunden‹. Ich denke, ich gehe gleich hin und notiere mir die Angaben.«
    »Klasse! Sag Bescheid, wenn du auf etwas Wichtiges stößt. Ich bin gespannt, was für Typen wir in dem Zusammenhang vernehmen müssen.«
    »Vermutlich ganz normale finnische Männer, deren Frauen keine Lust auf Sex haben oder sich weigern, mal etwas Neues auszuprobieren«, erwiderte Puustjärvi gereizt. Er hatte mir vor langer Zeit von seinem Seitensprung mit Ursula erzählt, was er vermutlich immer noch bereute. Bei der Adventsfeier des Präsidiums hatte er mich darauf angesprochen, und ich hatte ihm versichert, dass ich die Geschichte längst vergessen hätte. Beinahe stimmte das sogar.
    Ich versuchte Antti zu erreichen, um ihm zu sagen, dass Iida eine Stunde später aus der Schule kam, doch er meldete sich weder zu Hause noch am Handy. Vielleicht war er schwimmen gegangen. Beim Mittagessen erzählte ich Koivu von Iidas merkwürdigem Verhalten.
    »Sag Iida, ihr Patenonkel wird sie sich mal vorknöpfen.« Koivu schlang sein Stroganoff herunter, zu dem er sich drei große Kartoffeln auf den Teller geladen hatte. »Ich hab zum Frühstück nur ein Brötchen gegessen«, quittierte er meinen Blick. »Anu meint übrigens, wir sollten mal die Schwester der Freundin ihres Bruders nach Oksana fragen, die treibt sich offenbar mit etwas zwielichtigen Typen herum. Ich kann das übernehmen.«
    »Gut. Jetzt, wo wir Zugang zu Lulus Computer haben, kommen wir endlich voran, denke ich.« Ein Stück Möhre setzte sich zwischen meinen Zähnen fest, ich versuchte es mit der Zungenspitze wegzuschieben, musste dann aber doch einen Zahnstocher nehmen. Gleich darauf klingelte mein Handy, und auf dem Display erschien Kaartamos Nummer.
    »Ich möchte dich sprechen, jetzt sofort«, erklärte er, ohne auch nur zu fragen, ob ich Zeit hatte.
    Ich warf einen Blick auf meinen Teller, der noch zur Hälfte mit Gemüse und Pasta gefüllt war. Hastig stopfte ich mir das Essen in den Mund und nuschelte Koivu zu, ich müsse weg. Während ich die Treppe zur Chefetage hochlief, überlegte ich, ob ich gerade meine letzte Mahlzeit in der Kantine des Präsidiums zu mir genommen hatte. Vielleicht würde ich in wenigen Minuten vom Dienst suspendiert und später, nach einem komplizierten Verfahren, entlassen werden.
    Kaartamo stand mitten in seinem Zimmer, Ursula saß am Fenster.
    »Mach die Tür zu«, befahl Kaartamo. Als die Tür geschlossen war, fuhr er fort: »Ich sage das jetzt einmal, dann ist der Fall erledigt. Ursula Honkanen war nie im Mikado. Sie ist mit dem Fahrrad gestürzt.«
    »Aber das geht doch nicht … Diese brutalen Typen müssen …«
    Er unterbrach mich: »Hör mir gut zu, Maria. Ich übernehme die Verantwortung für diese Entscheidung. Du kannst dich hinter dem Rücken deines Vorgesetzten verstecken, falls die Sache ein Nachspiel haben sollte. Aber ich hoffe, dass auch du den Schnabel hältst und in keinem Nähkränzchen oder Frauenfußballclub auch nur ein Wörtchen verlauten lässt. Ihr könnt gehen.«
    Ich schaute Kaartamo an, und was ich sah, gefiel mir nicht. Wütend knallte ich die Tür hinter mir zu und rannte den Gang entlang. Auf Ursula zu warten, hatte ich absolut keine Lust. Ich lief die Treppe hinunter und schnurstracks zum Ausgang. Die Leute, die in der Eingangshalle auf Pass oder Führerschein warteten, starrten mich an. Offenbar sah ich ziemlich grimmig aus.
    »He, Kallio, wohin so eilig?«, rief mir Suomalainen nach, der in seiner gläsernen Loge die Anzeigen aufnahm.
    Ich ging quer über den Parkplatz zu den wenigen Kiefern, die man als Pseudowald hatte stehen lassen. Der rötliche Schimmer der Rinde kündigte bereits den

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