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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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sodass ich ihr in die Augen sehen konnte.
    »Iida, Schätzchen, warum hast du denn den großen Jungen gebissen?«
    Iida senkte die Augen.
    »Nur so.«
    »Man beißt doch niemanden nur so. Also, weshalb?«
    »Das mag ich nicht sagen.« Sie schüttelte meine Hand ab.
    »Ich muss die Matheaufgaben machen, lass mich in Ruhe!«
    Ich ging in die Küche, packte die Einkäufe aus und bereitete das Abendessen zu. Gemüse aus dem Wok mit Zander, ein unkompliziertes Gericht. Am besten überließ ich es Antti, mit Iida zu sprechen, denn ihm erzählte sie manchmal Dinge, von denen sie mir nichts sagte. Vielleicht lag es daran, dass ihr Vater so selten zu Hause war. Doch als ich gerade begonnen hatte, den Salat anzurichten, kam sie in die Küche. Sie hielt eine Puppe in der Hand, deren Arme und Beine sie in verschiedene Eislaufpositionen brachte, und sah mich nicht an, während sie sprach.
    »Mutti, ich hab den Miro gebissen, weil er gesagt hat, ich wäre eine Hure. Das hat er schon oft gemacht, aber ich hab ja nicht gewusst, was das ist. Aber dann hab ich dich gefragt, und jetzt weiß ich es. Und ich verkauf keinem das Kindermachen, man darf mich nicht so nennen!« Ihre Stimme bebte, sie hatte Tränen in den Augen.
    »Nein, das darf man nicht, Liebes! Warum hast du mir denn nicht früher davon erzählt, oder deiner Lehrerin?« Ich nahm meine Tochter in die Arme. Ihre Haare rochen nach Kindershampoo, ihr Körper war noch kindlich weich.
    »Die Jungs aus der fünften Klasse rufen allen was nach, sie nennen die Jungen aus unserer Klasse Homos, und zu Rosa sagen sie Fettarschlesbe.«
    »Vati und ich haben dir doch gesagt, dass man niemanden beschimpfen darf und dass du es uns erzählen sollst, wenn es doch jemand tut. Gut, dass du es mir wenigstens jetzt gesagt hast. Du hättest Miro trotzdem nicht beißen sollen, aber ich kann verstehen, dass du dich über die dummen Schimpfnamen geärgert hast.« Iida nickte und begann zu weinen. Als ich nach dem Essen ihre Klassenlehrerin anrief, musste ich mich schwer zusammenreißen, um nicht laut zu werden. Bisher hatte ich an der Zusammenarbeit mit Iidas Schule nichts auszusetzen gehabt.
    »Eine Achtjährige braucht sich von keinem als Hure beschimpfen zu lassen, nicht einmal von einem elfjährigen Jungen! Ich erwarte, dass die Schule einschreitet. Wie Iida mir erzählt hat, beschimpfen dieselben Jungen auch andere Kinder. Damit muss Schluss sein. Ja, gut, ich erkläre Iida, dass sie es Ihnen sagen muss, wenn so etwas noch einmal vorkommt. Genau, solche Dinge passieren, wenn man nicht darüber spricht. Iida ist hier jedenfalls nicht die Hauptschuldige.« Ich fühlte mich wie eine Löwenmutter, die ihre Jungen verteidigt, und konnte doch kaum etwas daran ändern, dass Iida und Taneli in einer Welt aufwuchsen, in der verbale sexuelle Belästigung schon zum Alltag kleiner Kinder gehörte.
    Als ich schließlich auflegte, klingelte das Telefon sofort wieder. Der Klingelton – ›Polizisten sind Helden‹ von der Band Rehtorit – signalisierte einen Anruf aus dem Präsidium.
    »Hakkarainen hier, guten Morgen. Oder ist es inzwischen schon Abend? Hör mal, wir haben gerade in Lulu Mäkinens Wagen etwas Interessantes gefunden. Neben dem Ersatzreifen lag eine Tüte mit einer kleinen Flasche, deren Inhalt hochgiftig ist, wie mir meine Nase sagt. Das Zeug riecht nach Zyanid.«

NEUN
     
    Begreift ihr denn nicht, dass ich über meine Verbindung zu Lulu Nightingale schweigen musste? Über die laufende Operation darf absolut nichts an die Öffentlichkeit dringen. Wir kennen die Mitglieder und Drahtzieher einer der beiden Banden, die den Frauenhandel in der Hauptstadtregion organisieren, jetzt brauchen wir Beweise. Da wollen wir nicht, dass irgendwelche lokalen Polizeikräfte unsere Ermittlungen stören.«
    Lasse Nordström trank schon die dritte Tasse Kaffee. Ich goss mir noch einmal Milch zu, denn der Kaffee, den Nordström gekocht hatte, war bitter und dickflüssig wie Teer. Vielleicht verhielt es sich mit Kaffee wie mit Alkohol: die Toleranzgrenze des Süchtigen steigt, die Dosis wird immer größer.
    »Als Polizist müsstest du wissen, wie wichtig Mordermittlungen sind. Wenn ich dein Vorgesetzter wäre, würde ich dich vom Dienst suspendieren, bis die Ermittlungen im Fall Lulu Mäkinen abgeschlossen sind. Du wurdest als Zeuge vernommen! Da hattest du nicht das Recht zu lügen!«
    Nordström verschluckte sich an seinem Kaffee und hustete würgend. Koivu strich sich ungerührt das dritte Butterbrot und

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