Wer sich nicht fügen will
Frühling an. Ich hob einen der Zapfen auf, die unter den Bäumen lagen, und zerquetschte ihn. Es war windig, die Haare wehten mir ins Gesicht, und ohne Mantel fror ich erbärmlich.
Kaartamos Lösung war bequem, aber falsch. Zwar glaubte ich nicht, dass wir auffliegen würden, doch das Risiko bestand. Sollte ich vielleicht doch als Dorfpolizistin nach Närpiö gehen?
Eine Kohlmeise flötete ihr Zi-bäh. Bald darauf gesellte sich eine Blaumeise zu ihr. Der kalte Wind schien direkt aus Sibirien zu kommen. Ich ging wieder hinein, holte mir einen Becher heißen Kakao und lief die Treppen hinauf, um wieder warm zu werden. Puustjärvi und Ursula saßen einträchtig im Konferenzraum und gingen die Dateien auf Lulu Nightingales Computer und auf den Disketten durch, deren Verschlüsselung ebenfalls geknackt worden war. Lulu hatte letzten Endes ganz logisch gehandelt, indem sie die Vornamen ihrer Eltern als Passworte gewählt hatte: Paavo für den PC und Anita für die Disketten.
»Einige bekannte Namen sind dabei«, sagte Puustjärvi. »Ich versuche, für die Morgenbesprechung eine Liste aufzustellen, dann können wir überlegen, wer vernommen werden muss. Einen ehemaligen Minister, ein paar Firmenchefs und einen Eishockeyfunktionär haben wir auf jeden Fall auf der Liste.«
Ursula berichtete, auf einer der Disketten habe sie eine Art Tagebuch gefunden, das Informationen über Lulus Besucher enthielt. Ich überließ die beiden ihrer Arbeit und ging zu Puupponen, um mit ihm den Fall zu besprechen, an dem er gerade saß. Es ging um eine Vergewaltigung.
»Ein typischer Fall. Die Frau war leicht beschwipst, und ihr Nachbar wollte nur auf ein letztes Gläschen mit reinkommen. Der Mann dagegen behauptet, sie hätte ihn plötzlich geküsst. Die Frau sagt, zum Geschlechtsverkehr hätte sie nie ihre Zustimmung gegeben. Ich leite die Sache jetzt zur Abwägung an die Staatsanwältin weiter. Mal sehen, was die Verteidigung vorbringt. Augenzeugen gibt es nicht, aber aufgrund der Verletzungen, die die Frau davongetragen hat, klingt ihre Version glaubhafter als die des Mannes – wenigstens in meinen Ohren.«
»Schön, dass du den Fall bald vom Tisch hast, wir haben nämlich jetzt Zugang zu Lulus Computer und müssen wahrscheinlich demnächst eine Menge Vernehmungen führen. Gute Arbeit«, sagte ich und klopfte Puupponen auf die Schulter. Dann ging ich in mein Büro und versuchte erneut, Antti zu erreichen, wieder ohne Erfolg. Ich überlegte, ob wir Tero Sulonen nach den Männern befragen sollten, die in Lulus Notizen erwähnt wurden. Da stürmte Ursula herein, ohne anzuklopfen.
»Maria, hier ist was Merkwürdiges!« Der größte Bluterguss in ihrem Gesicht färbte sich am Rand bereits gelblich. Vor einigen Jahren hatte ein Make-up im Trend gelegen, das die dunklen Augenringe von Fixern nachahmte. Wann würden wohl die Blutergüsse misshandelter Frauen modisches Vorbild werden?
»Was ist merkwürdig?«
»Ihren eigenen Aufzeichnungen nach wurde Lulu zweimal von Lasse Nordström vernommen. Hör dir das an: ›Der verdammte Nordström hat mich wieder in die Mangel genommen, er stand mitten am Vormittag vor der Tür und wollte mich sprechen. Hat ihm das Verhör bei der Zentralkripo nicht gereicht? Die Informationen, auf die er spitz ist, habe ich nicht, und selbst wenn, würde ich sie ihm wahrscheinlich nicht geben. Lieber versuche ich Mädchen wie Svetlana und Oksana zu schützen.‹ Die Notiz ist vom Februar dieses Jahres. Nordström hat doch behauptet, keinerlei Kontakt zu Lulu gehabt zu haben.«
»Allerdings. Wird der Vorname von diesem Nordström genannt?«
»Nein, aber dass es im Bereich Prostitution noch einen zweiten Ermittler mit dem gleichen Namen gibt, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Ich kann es natürlich überprüfen.« Ursula wirkte geradezu übereifrig.
»Tu das, und sag mir sofort Bescheid.«
Ich suchte inzwischen Lasse Nordströms Nummer heraus, und sobald ich von Ursula erfahren hatte, dass es in keiner Polizeibehörde der Hauptstadtregion einen zweiten Ermittler namens Nordström gab, rief ich bei der Zentralkripo an.
»Wo und wann treffen wir uns, Lasse? Du hast bei der Vernehmung gelogen. Es gibt doch eine Verbindung zwischen dir und Lulu Nightingale. Du hast sie einmal bei euch in Tikkurila und einmal bei ihr zu Hause vernommen. Das brauchst du gar nicht erst abzustreiten, es steht in den Protokollen.«
Am anderen Ende blieb es eine Weile still, dann lachte Nordström. Sein Lachen klang allerdings
Weitere Kostenlose Bücher