Wer sich nicht fügen will
musste.
»Meine Mitarbeiterin Ursula Honkanen hat Mist gebaut.« Ich bemühte mich, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken, was nicht ganz leicht war. Kaartamo hörte mir wortlos zu, mit geballten Fäusten, den Blick auf die Tischplatte geheftet. Seine dünnen Haare waren schon stark ergraut. Die viereckige Brille hatte er sich erst kürzlich zugelegt. Auch Kaartamo sah man nur im Anzug, doch seine Anzüge waren meist schmuddelig und saßen zu eng.
»Hat dir die Honkanen nicht vor ein paar Jahren schon einmal Schwierigkeiten gemacht?«, fragte er, als ich meinen Bericht beendet hatte.
»Ja, aber das ist bereinigt.«
»Und jetzt hat sie also keine Anzeige erstattet.«
»Nein, aber meiner Meinung nach sollte sie das tun.«
Kaartamo öffnete die Fäuste und beugte sich vor, wobei er mit den Händen die Tischplatte umklammerte.
»Schlau eingefädelt, Kallio. Du trägst mir den Fall vor, damit auch ich in diesen Bockmist verwickelt bin. Na gut, ich werde mit der Dame reden.«
»Es wäre ein Dienstvergehen gewesen, dich nicht zu informieren.«
»Eben. Wie gesagt, raffiniert. Ist die Honkanen im Haus, oder hat sie sich krankschreiben lassen?«
»Sie ist im Haus, trotz Attest.«
»Dann schick sie sofort zu mir. Es macht einen schlechten Eindruck, kranke Mitarbeiter zum Dienst zu zwingen.« Kaartamos Stimme klang eisig. Ich stand auf und ging, dabei fühlte ich mich wie eine Katze, die vom Esstisch vertrieben wird.
Ursula saß in ihrem Dienstzimmer am Computer. Sie hatte die Blutergüsse in der Zwischenzeit geschickt überschminkt. Die schlimmste Prellung an der Schläfe hatte sie unter einer Art Stirnband verborgen, das sie aus einem Halstuch gefaltet hatte. Da sie sonst nie so etwas trug, sah das Ganze für meinen Geschmack ziemlich gekünstelt aus.
»Zu Kaartamo, marsch, marsch!«
»Was hat das zu bedeuten?« Ihre Stimme klang nervös.
»Ich weiß es nicht. Geh hin, dann wirst du es erfahren.«
Sie sprang auf und zischte wütend: »Lass mich einen Moment allein … Warum hab ich dir bloß davon erzählt … ich war so durcheinander, weil ich nicht geschlafen hatte. Ich hätte einfach den Mund halten sollen. Du bist so verdammt gesetzestreu, bestimmt hast du noch nie falsch geparkt. Wie langweilig muss dein Leben sein!«
Ich ging hinaus, ohne sie einer Antwort zu würdigen, schlug aber die Tür zu meinem eigenen Zimmer lauter als gewöhnlich zu. In der E-Mail fand ich die Korrekturfahnen meines Beitrags zu einem Buch über Gewalt in der Familie vor, das vom Ministerium für Gesundheit und Soziales herausgegeben wurde. Man hatte mich um den Artikel gebeten, weil ich als Frau ein Gewaltdezernat leitete – Gewalt in der Familie galt nämlich nach wie vor als Frauenproblem. Nach der gleichen Logik hätte man für Autodiebstähle nicht die Diebe, sondern die Eigentümer der gestohlenen PKWs verantwortlich machen müssen.
Es war eine wohltuende Abwechslung, dem Beitrag den letzten Schliff zu geben. Als ich die korrigierte Fassung gerade abschicken wollte, klingelte das Telefon. Iidas Klassenlehrerin wollte mich sprechen.
»Iida muss heute nachsitzen, weil sie in der ersten Pause Miro Miettinen aus der Fünf B gebissen hat.«
»Wie bitte? Iida hat einen Jungen aus der fünften Klasse gebissen?«
»Sie hat Miro so fest in den Handrücken gebissen, dass die Hand blutete und wir den Jungen zum Arzt bringen mussten. Zum Glück ist es nur eine Fleischwunde, aber Iida wird nach dem Unterricht eine Stunde in der Klasse bleiben und darüber nachdenken, warum sie das getan hat.«
»Hat sie denn keinen Grund genannt? Und der Junge auch nicht?«
»Nein. Bitte sprechen Sie zu Hause mit Iida und rufen Sie mich an, wenn Sie etwas aus ihr herausbekommen. Wir versuchen natürlich, mit den anderen Schülern zu sprechen, aber bisher haben wir noch nicht feststellen können, wie es zu dem Zwischenfall kam. Miros Freund ist zur Pausenaufsicht gelaufen und hat gesagt, Iida beißt. Sie hatte sich so fest in die Hand verbissen, dass Miro sie nicht abschütteln konnte, obwohl er einen Kopf größer ist. Sie können mich jederzeit anrufen, auch abends. Die Sache muss geklärt werden.«
Ich war so verdattert, dass ich meinen Artikel an die falsche Adresse schickte und mich in einer zweiten Mail für den Irrtum entschuldigen musste. Iida verhielt sich eigentlich nie gewalttätig. Als sie jünger war, hatte sie ihren kleinen Bruder manchmal geschubst, wenn er sie beim Spielen störte, aber seit sie zur Schule ging, kam auch
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