Wer sich nicht fügen will
ich dankbar sein, dass Arto zu Huren gegangen ist, statt sich eine Geliebte zu halten. Sonst wäre mir noch dasselbe passiert wie meiner Freundin Raila, die von ihrem Mann gegen eine Jüngere eingetauscht wurde. Der gleiche Typ wie Arto, ein Mann, der nichts anderes im Kopf hatte als seine Arbeit. Raila hat die Kinder ganz allein aufgezogen, sich um den Haushalt gekümmert, alles organisiert. Dann hat ihr Mann mit seiner neuen Frau Kinder in die Welt gesetzt und – das muss man sich mal vorstellen! – ein Buch über die Freuden der Vaterschaft mit sechzig geschrieben! Erst jetzt weiß er Kinderglück zu schätzen et cetera. Wie Raila und ihre Kinder das aufgenommen haben, können Sie sich wahrscheinlich vorstellen.« Sie blickte auf Koivus Hände, die über die Tasten flogen, dann auf den Ringfinger meiner linken Hand. »Sie sind beide verheiratet. Gott behüte Sie vor meinem Schicksal.«
»Ich habe es schon durchgemacht«, sagte Koivu überraschend.
»Es ging zwar nur um eine Freundin, wir waren noch nicht verheiratet, aber wehgetan hat es trotzdem. Aber man kommt darüber hinweg. Auch Sie werden das schaffen.«
Koivu hatte nicht die Angewohnheit, mit Verdächtigen über sein Privatleben zu sprechen, doch seine Bemerkung wirkte beruhigend auf Riitta Saarnio, trieb ihr allerdings zugleich Tränen in die Augen. »Natürlich, ich bin nicht die Einzige, der so etwas passiert. Artos Schlampe ist außerdem inzwischen spurlos verschwunden. Aber es gibt ja genug andere von ihrer Sorte.«
Offenbar hatte Arto Saarnio seiner Frau verschwiegen, dass er Oksana lieb gewonnen hatte. Eine unverbindliche Beziehung ließ sich leichter verzeihen. Wieder erinnerte ich mich an Anttis lachende, flirtende Stimme am Telefon und fühlte mich innerlich leer.
»Ein paar Fragen noch zu der Sendung. Lulu kam im eigenen Wagen zum Studio. Erinnern Sie sich, wie es bei den anderen Gästen war?«
Riitta Saarnio überlegte. »Normalerweise bekomme ich die Reisekostenabrechnungen, aber diesmal hat niemand daran gedacht, die Formulare auszuteilen. Ich muss mich unbedingt darum kümmern, die Leute müssen doch ihr Honorar und ihre Spesen bekommen! Danke, dass Sie mich daran erinnert haben. Warten Sie mal … Die Pastorin, Terhi Pihlaja, ist mit dem Bus gekommen, die Verbindung war so günstig. Anna-Maija und Nordström kamen mit dem Taxi …«
»Kennen Sie Anna-Maija Mustajoki?«
»Na ja, wie man sich eben kennt, wenn man am selben Französischkurs in der Volkshochschule teilnimmt. Wir grüßen uns, sonst nichts. Hytönen ist ebenfalls mit dem eigenen Wagen gekommen.«
»Was war das für einer?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe ihn zwar eingelassen, aber nicht auf sein Auto geachtet.«
»Wo waren Sie am Abend des Neunten, also am letzten Mittwoch?«
Sie antwortete nicht gleich, offenbar überlegte sie, worauf ich mit meiner Frage hinauswollte.
»Letzten Mittwoch … Das kann ich Ihnen genau sagen. Ich war in der gerade erwähnten Französischstunde. Sie dauert von sechs bis halb acht. Danach habe ich Raila nach Hause gebracht – sie besucht denselben Kurs – und eine Tasse Tee bei ihr getrunken. Es geht ihr miserabel, sie braucht Beistand. Handelt es sich etwa um den Abend, an dem Artos kleine Freundin aufgeschlitzt wurde? Sie trauen mir ja allerhand zu!« Ihre Stimme wurde schriller, sie sah mich hasserfüllt an. Wieder musste Koivu eingreifen.
»Manche Fragen müssen nun einmal gestellt werden. Wir brauchen dann noch die Telefonnummer Ihrer Freundin und Ihres Französischlehrers«, sagte er mit dem speziellen Lächeln, das er normalerweise für Kinder reservierte, das aber auch bei Riitta Saarnio seine Wirkung tat. Sie gab ihm die gewünschten Angaben.
»Wie lange hat es bei Ihnen gedauert?«, erkundigte sie sich, als wir unsere Sachen zusammenpackten. »Bis Sie sich vom Schock über den Betrug erholt hatten, meine ich.«
»Das erste halbe Jahr war am schlimmsten«, erwiderte Koivu und gab Riitta Saarnio die Hand. Nach einigem Zögern ergriff sie auch meine Rechte, ließ sie aber sofort wieder los, als hätte sie vereistes Metall berührt.
Auf dem Weg zum Ausgang kam uns Ilari Länsimies entgegen. Vielleicht hatte er das Ende der Vernehmung abgepasst. Er war wieder ganz der Alte, lächelnd und gelassen. Von der Nervosität, die er bei seiner Befragung gezeigt hatte, war nichts mehr zu spüren.
»Über den Fortschritt der Ermittlungen lässt die Polizei viel zu wenig verlauten«, beschwerte er sich. »Die Bevölkerung hat ein
Weitere Kostenlose Bücher