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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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Virves Party machte mir regelrecht Angst. Warum glaubte ich, dass es sich um ein Fest für zwei handelte? Ich schwor mir, Antti am Freitagabend nicht anzurufen. Auch ich hatte meinen Stolz. Der Kuss, den wir uns gaben, bevor ich zur Arbeit ging, war kühl, aber wir wagten es nicht, ihn auszulassen. Schließlich hatten wir keinen Streit.
    Während ich das Eis von den Seitenspiegeln kratzte, dachte ich an Iidas Lehrerin, die mir versprochen hatte, mit Miro Miettinens Klassenlehrer zu sprechen. Sie hatte betrübt gesagt, es sei schwierig, auf das Verhalten eines Kindes einzuwirken, wenn die Eltern nicht am selben Strang zogen. Vielleicht war es in Miros Familie üblich, Frauen als Nutten zu titulieren. Antti hatte schon Recht: Ein Kind konnte sich weder seine Eltern aussuchen noch die Wertvorstellungen, nach denen es erzogen wurde. Bestimmt hätten Taneli und Iida sich Eltern gewünscht, die öfter zu Hause waren.
    Es schneite leise. Der Wagen vor mir schlingerte bei jedem Bremsvorgang, vielleicht war der Fahrer so waghalsig gewesen, schon Sommerreifen aufzuziehen. Zur Morgenbesprechung lag ein Bericht aus Helsinki vor. In den Alko-Geschäften von Südhelsinki erinnerte sich niemand, Fernet Branca an Lulu Nightingale oder Tero Sulonen verkauft zu haben. Ich beschloss, die Befragung auf alle Verkaufsstellen in der Hauptstadtregion auszudehnen, obwohl das wahrscheinlich reine Zeitverschwendung war. Dann versuchte ich, mit meinem Team ein Profil von Lulus Mörder zu erstellen.
    »Die Situation ist ungewöhnlich, weil alle, die das Studiogebäude betreten, von der Überwachungskamera erfasst werden. Andererseits wissen wir nicht, ob Lulu Nightingale den Fernet Branca selbst mitgebracht hat. Ihre Handtasche wäre groß genug gewesen, um die Flasche darin zu verstauen. Schade, dass sie auf dem Überwachungsvideo nicht deutlich zu sehen ist. Wenn Lulu die Flasche mitgebracht hat, musste der Mörder ein Zufallsmoment einkalkulieren. Wenn er dagegen erst im Studio aktiv geworden ist, hat er aus einer plötzlichen Eingebung heraus gehandelt. Also, was für einen Typen suchen wir?«
    »Einen, der kein Risiko scheut«, meinte Ursula.
    »Und die Gelegenheit beim Schopf ergreift«, ergänzte Puupponen.
    »Einen Spieler.« Puustjärvis Stimme klang fester als sonst.
    »Einen, der bereit ist, alles auf eine Karte zu setzen. Wahrscheinlich hat er auch früher schon alles gewagt und alles gewonnen.«
    »Einen Profi«, meinte Koivu. »Für einen Profi war es ein Klacks, Lulus Wagen aufzubrechen. Dass sie ausgerechnet im Fernsehstudio gestorben ist, war reiner Zufall.«
    »Sie hat es in einem Interview gesagt, das ich informationshalber gelesen habe«, erklärte Puupponen. »Lulu, meine ich. Dass sie selten Alkohol trinkt, aber wenn, dann am liebsten trockenen Sekt oder Fernet Branca. Im Prinzip kann das jeder gewusst haben.«
    Wir sahen uns verdrossen an, weil wir einfach nicht vom Fleck kamen. Ich holte mir eine Tasse Tee, der Kaffee schmeckte mir nicht mehr.
    »Sind die DNA-Ergebnisse gekommen?«, fragte ich Puustjärvi.
    »Noch in Arbeit, ich hab dem Labor Dampf gemacht«, antwortete er. »Sie haben Dringlichkeitsstufe eins.«
    Nach der Morgenbesprechung fuhr ich mit Koivu nach Olari zum Studio der West Man Productions, wo Riitta Saarnio sich mit uns treffen wollte. Bei Tageslicht zeigte sich das Studiogebäude als grauer, schmuckloser Quader, der sich nahtlos in die Reihe der Autohäuser einfügte, die auf den ehemaligen Feldern errichtet worden waren. Koivu drückte auf den Klingelknopf, und Riitta Saarnio ließ uns ein. Sie trug schwarze Kleidung, die ihre blasse Hautfarbe betonte, und der blutrote Lippenstift machte den Gesamteindruck nicht besser. Obwohl sie mit fester Stimme sprach, hatte ich den Eindruck, dass sie innerlich zitterte.
    »Die anderen sind zum Glück noch nicht da, wir können uns also in Ruhe unterhalten. Ich möchte nicht, dass meine Kollegen von meinen Privatangelegenheiten erfahren«, sagte sie und führte uns in einen Raum, den ich am Abend von Lulu Nightingales Tod nur im Vorbeigehen gesehen hatte. Er war ein Mittelding aus Büro und Konferenzzimmer: In der Mitte stand ein Tisch mit vier Stühlen, am hinteren Ende des Raums befand sich eine Arbeitsecke mit Computer und Aktenschrank.
    »Es ist nicht zu fassen, was mein Mann mir angetan hat«, sagte Riitta Saarnio und setzte sich an den Tisch. Der Lippenstift hatte sich in den Längsfalten über der Oberlippe abgesetzt, es sah aus, als liefe ihr Blut aus dem

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