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Wer sich nicht wehrt...

Wer sich nicht wehrt...

Titel: Wer sich nicht wehrt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ins Haus, und meine Frau wird alles regeln.«
    »Zuerst 'ne Tasse Kaffee, Chef.« Kabelmann zog die Schultern hoch. »Ich hab' schon Eis in den Knochen …«
    Im umgebauten Bauernhof – Wulpert hatte die Fassade mit dem herrlichen Fachwerk gelassen, aber innen alles umgekrempelt und mit schweren, geschnitzten Eichenmöbeln ausstaffiert, weil nach seiner Meinung geschnitzte Möbel der absolute Höhepunkt deutscher Wohnkultur waren – saß Laurenz Kabelmann dann an dem großen Eßzimmertisch, aß, nein fraß einen Berg Schinkenbrote, trank zwei Kannen Kaffee dazu und erzählte von seinem Pech mit der diesjährigen Überwinterung. Dreimal hatte ihn der Richter nun auf Bewährung verdonnert – was Kabelmann als Unrecht empfand! Auf jeden Fall war der günstigste Zeitpunkt vorbei, und eine größere Sache wollte Kabelmann nicht riskieren. Neun oder gar zwölf Monate waren zuviel. Es wurde immer schwerer, genau die richtige Tat für fünf Monate zu begehen. Die Strafanstalten waren überfüllt mit Gaunern, die ein warmes Bett nicht so nötig hatten wie er. Irgendwie war das soziale Gewissen des Staates nicht mehr in Ordnung.
    »Du bist wohl verrückt geworden, Willi?!« sagte Emmi Wulpert, die ihrem Mann zum Auto nachgelaufen war. »Wie kannst du so ein Individuum einstellen? Der Kerl stinkt gegen den Wind!«
    »Wenn er zweimal gebadet hat, nicht mehr.« Wulpert gab seiner Frau einen Kuß auf die Stirn. »Beruhige dich, Emmi. Der Bursche ist nicht übel, und außerdem hat er im Zoo Affenpflege gelernt. Genau der richtige Mann für uns.«
    »Hast du gesehen, wie der frißt?«
    »Auch das läßt bald nach. Und wenn er sich vom ersten Monatslohn einen richtigen Anzug kauft, sieht er schon anders aus.«
    »Der Bart und diese Haare, alles verfilzt! Hast du das gesehen?«
    »Ich sage ja: Ein Bad, und er ist wieder ein Mensch.«
    »Und wenn er Läuse hat?«
    »Dann richten wir eine neue Abteilung ein: Menschenläuse, Stück zehn Mark. Auch die werden gekauft.« Wulpert lachte und stieg in seinen Wagen. »Die Labors können alles gebrauchen, was sich bewegt. Zeig Lauro die Kammer hinter dem Ziegenstall. Da hat er alles, was er braucht. Wasser, Licht und ein Bett. Tschüß, Emmi …«
    Wulpert fuhr frohgemut nach Hamburg. Das war ein guter Fang, dachte er. So schneit einem das Angenehme ins Haus: ein gelernter Tierpfleger. Affenspezialist. Das Glück liegt tatsächlich auf der Straße.
    Laurenz Kabelmann war mit der Kammer hinter dem Ziegenstall sehr zufrieden. Sie besaß, durch eine Gerätekammer hindurch, einen eigenen Eingang … ein Tor zur geliebten Freiheit war also immer erreichbar. Er hängte seinen langen schweren Mantel an einen Haken, setzte sich auf die Bettkante und rieb sich wie ein beschenkter Junge die Hände.
    »Hab' ich 'n Glück!« sagte er, treuherzig zu der abweisenden Emmi Wulpert hinaufblickend. »Den Winter auf der Walze, den überlebst du nicht, habe ich gedacht. Kein Knast will dich haben … der Staat bringt dich also jetzt um. Lauf, solange du noch laufen kannst, und dann fall um und verreck im Schnee … Und da treffe ich Ihren Mann! Welch ein Herz für unsereins, welch eine Seele. Ein Samariter, ja, ein Samariter, das ist er. Das muß er auch sein … wer die Tiere so liebt wie er, ist auch ein guter Mensch.«
    »Wo haben Sie Ihre Sachen?« Emmi Wulpert überhörte die Lobeshymne auf ihren Mann.
    »Hinten, auf dem Rad. Ein kleiner Sack …«
    »Hemden?«
    »Zwei, und zwei Unterhosen, ein Paar Strümpfe, ein Halstuch … man ist ja bescheiden geworden …«
    »Bringen Sie das in die Waschküche.«
    »Waschküche? Werden sich die Hemden und Hosen wundern! Bisher hab' ich die immer in 'nem Bach oder 'nem Tümpel gewaschen. Gebügelt werden die auch?«
    »Selbstverständlich.«
    »Gebügelt! Meine Hemden! Die werden so vornehm werden, daß ich sie nicht mehr anziehen kann …«
    »Und Sie baden jetzt!« Emmi Wulpert zeigte auf sein Gesicht. »Der Bart, muß der sein?«
    »Der gehört zu meinem Image«, sagte Kabelmann betont. Es klang sogar stolz.
    »So lang und zottelig?«
    »Nicht die Haartracht macht einen Menschen, sondern sein Charakter.«
    »Da haben wir ja noch etwas zu erwarten.« Emmi Wulpert wurde immer mißtrauischer, je länger sie mit Kabelmann sprach. Es war nicht erklärbar, der Mann war höflich, seine Verwilderung hatte viele Gründe, von denen er einige erzählt hatte – und trotzdem, sie spürte eine innere Abwehr, die zur Vorsicht gemahnte.
    »Wer wohnt denn alles im Haus?« fragte

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