Wer sich nicht wehrt...
Kabelmann. Er erhob sich mit einem Seufzer von der Bettkante, murmelte etwas wie »Baden … auch das noch« und zog seinen geflickten Parka aus, den er unter dem Mantel getragen hatte. Es war seine einzige Jacke.
»Am Tag haben wir noch einen Tierpfleger hier. Sie haben ihn ja gesehen. Sonst mein Mann, ich, mein Sohn. Und jetzt noch Sie.«
»Ein Sohn ist auch noch hier?« Kabelmann setzte sich wieder. »Wie alt? Wenn ich dem nicht gefalle, gibt's sicher sofort Krach.«
»Josef ist neunundzwanzig, und wenn mein Mann Sie eingestellt hat, ist das auch für ihn in Ordnung. Bei meinem Mann gibt es keine Widerworte.«
»Das muß man sich merken. Wo ist der Josef jetzt?«
»Unterwegs!« Das klang so abweisend, daß Kabelmann auf weitere Fragen verzichtete.
Er badete fast eine Stunde lang. Als er dann wieder bei Emmi Wulpert erschien, sah er wesentlich sympathischer aus. Er hatte sogar seinen Bart etwas gestutzt und die Wangen rasiert.
»Ich bin ein hygienischer Mensch, Chefin«, sagte er, »auch wenn's keiner glaubt. Aber mein Rasierzeug habe ich überall mit. Das muß ich Ihnen mal erzählen. Da war ich vor drei Jahren auf Sizilien …«
»Sie sind zwar erst ab morgen eingestellt«, unterbrach Emmi Wulpert ihn barsch, »aber wenn Sie wollen, können Sie sich schon heute ein paar Mark verdienen.«
»Acht Mark pro Stunde, Chefin. Ohne Abzüge …«
»Ich weiß. In etwa einer halben Stunde kommt Josef zurück. Holen Sie große und kleine Käfige und stellen Sie sie neben den Aufnahmekäfig mit dem Laufgitter. Dann können Sie in Halle I die Abteilung V saubermachen. Die Kaninchen werden morgen früh abgeholt.«
»Bringt Ihr Sohn einen neuen Transport?«
»Ja.« Und dann, angeekelt: »Ihre Wäsche ist eine Zumutung …«
Emmi Wulpert ließ ihn stehen, und Kabelmann blickte ihr nach, auch dann noch, als die Tür längst hinter ihr zugefallen war. Dann ging er durch die Halle II, zu seiner Kammer. Auf dem Weg dahin blieb er vor den beiden Ziegenställen stehen und nickte den Tieren zu. »Daß ihr mir nachts nicht meckert«, sagte er fröhlich. »Ich hab' einen leichten Schlaf. Wir wollen doch friedliche Nachbarn sein, was?«
Laurenz Kabelmann tat, was man ihm aufgetragen hatte. Er schleppte die Käfige zum Aufnahmekäfig, reinigte dann die völlig verdreckten Kaninchenboxen, die – für drei Tiere berechnet – mit der doppelten Anzahl belegt waren, und bürstete sogar das Fell der fast schon apathischen Tiere aus. Seine Arbeit wurde von lautem Hupen auf dem Hof unterbrochen. Josef war gekommen.
Gespannt, wie ein Wildtier lauernd, wartete Kabelmann auf die Begegnung mit dem jungen Wulpert. Dieser erste Eindruck, dieses erste Gegenüberstehen würden entscheidend für seinen geretteten Winter sein. Das beste Essen wird ungenießbar, wenn einer immer auf den Teller spuckt.
Josef Wulpert sah Laurenz Kabelmann nur kurz an, als dieser ins Freie trat. Der weiße VW-Kastenwagen war an die Rampe der Halle I gefahren worden, Josef schob das Laufgitter an die Rücktür und nickte Kabelmann zu. Er zeigte sich überhaupt nicht überrascht. Aus dem Inneren des Wagens ertönte Gebell, dann dumpfe Schläge. Mehrere Körper schienen sich immer wieder gegen das Blech zu werfen.
»Ich heiße Josef«, sagte der junge Wulpert kurz.
»Ich Laurenz, genannt Lauro …«
»Mein Vater hat dich eingestellt?«
»Und gebadet und rasiert hab' ich auch!« Kabelmann grinste breit. Josef Wulpert grinste zurück. Das Problem war gelöst. Man mochte einander auf Anhieb.
»Was haben Sie denn da drin?« fragte Kabelmann und klopfte an den VW.
»Zwölf Hunde und neun Katzen. Heute lief's wie geschmiert. Wo ist mein Vater?«
»In Hamburg. Affen holen.«
»Ha! Das klappt tatsächlich?«
»Muß wohl. Fragen Sie die Chefin. Ich hab' das nur so am Rande mitgekriegt.« Er rieb sich die Hände. »Ich freue mich schon drauf.«
»Auf die Affen?«
»Ja. – Ich war doch mal Affenpfleger im Zoo.«
Sie luden die eingefangenen Tiere aus. Die meisten hatten Bißwunden oder waren so verängstigt, daß sie zitternd durch den Laufgang in den Aufnahmekäfig schlichen. Es waren zwei Collies darunter, wunderbare Tiere, denen man die ständige Pflege ansah. Einer trug sogar ein Halsband mit einem goldenen Schild. ›Mogul‹ stand darauf … Mogul wie die sagenhaft reichen Herrscher Indiens vor Hunderten von Jahren.
»Ein Prachtkerl!« sagte Kabelmann. »Wo ist denn der her?«
»Von 'ner Villa in Eilenriede. Der bringt 'nen Batzen Geld.«
Die Arbeit
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