Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer sich nicht wehrt...

Wer sich nicht wehrt...

Titel: Wer sich nicht wehrt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
von der Biosaturn gekauft und uns herübergeschickt. Wir müßten dann die Papiere bei der Biosaturn durchsehen.« Dr. Barthke verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. »Die werden uns dumm angucken.«
    »Stört Sie das, Barthke?« Prof. Sänfter verließ den Tierraum und überflog die Notizen, die ihm ein anderer Assistent reichte. »Ich werde mich selbst dumm angucken lassen«, sagte er und warf das Berichtsbuch auf den Tisch. »Sie brauchen sich nicht ironischen Bemerkungen auszusetzen. Ich werde mich selbst bei der Biosaturn darum kümmern. Guten Tag, meine Herren.« Er ging.
    Der andere Assistent blinzelte Dr. Barthke verblüfft an. »Was ist denn mit dem Alten los? Krach mit der Biosaturn?«
    »Nein. Er will wissen, woher unsere Tiere kommen.«
    »Auf einmal?«
    »Das sag' ich auch. Rotzt mich an wie den dämlichsten Pinkelflaschenspüler.«
    »Die Presse, Ludwig, die Presse! Hämmert auf uns herum, bis die ganze Welt nervös wird. Nur, daß das den Alten kratzt, das ist neu …«
    Dr. Barthke winkte ab und ging zu einem Mikroskop, unter dem ein Schnittpräparat lag. Ein hauchdünnes Scheibchen eines Kaposi-Sarkoms, das Todesurteil der AIDS-Kranken.
    »Was soll's?« sagte er. »Die da immer herummeckern, sollen mal einen Blick hier durchs Mikroskop werfen. Und dann muß man ihnen sagen: Wenn ihr so ein paar Kaposis am Leib habt, könnt ihr eure Tage oder Wochen zählen. Heilung? Gibt es nicht. Mögliche Chancen verhindert ihr doch selbst.«
    Er beugte sich über das Okular des Mikroskopes, schraubte das Gesichtsfeld schärfer und betrachtete die eingefärbten Krebszellen. Wir wollen Leben retten, dachte er dabei. Aber was ist Leben in unserer Welt noch wert?
    Die Anzeige und der Aufruf, die am nächsten Morgen in vielen Zeitungen Niedersachsens erschienen, in manchen Blättern groß aufgemacht (ohne erhöhte Kosten für Tenndorf!), erregten erwartungsgemäß die Massen der Leser. Tausenden traten die Tränen in die Augen, Tausende setzten sich hin und schrieben spontan an die Redaktionen oder direkt an die Kinder, denen man ihr Liebstes gestohlen hatte.
    Carola kam zu Tenndorf, nachdem die Kinder zur Schule gegangen waren, und schwenkte eine Zeitung. »Haben Sie das schon gesehen?« rief sie. In der Aufregung erschien sie noch schöner, ein Gesicht, in dem sich Leidenschaft spiegelte. »Das wird Wirkung haben!«
    »Hoffentlich.« Tenndorf zeigte auf den Stapel Zeitungen, die er in der Frühe schon gekauft hatte. »Wenn den Menschen nicht alles Gefühl abhanden gekommen ist, muß eine Reaktion kommen. Mehr können wir nicht tun. Und jetzt fahren wir in die Stadt und kaufen den Laborkittel. Heute mittag tritt Fräulein Biochemiker ihren Dienst an …«
    Beim Frühstück las auch Willi Wulpert den Aufruf und schob die Kaffeetasse von sich weg. »Da hat mal wieder einer was losgelassen«, sagte er und hielt Emmi die Zeitung hin. »Was soll das? Davon bekommen sie ihre Viecher nicht wieder. Eine rot-weiß gestreifte Katze und ein schwarz-weiß-roter Hund … Halt mal!« Wulpert riß die Zeitung wieder an sich. »Den haben wir doch! Den hat Josef doch eingesammelt. Der sitzt hinten in Halle I. Und dann muß auch die Katze da sein … Verdammt noch mal, das geht ja uns an! Wo ist Josef?«
    »Schon unterwegs, Willi.«
    »Die Zeitung weg, damit Lauro sie nicht in die Finger bekommt.« Er zerknüllte die Blätter, und Emmi Wulpert stopfte sie in den Kachelofen, ein Kunstwerk aus handgearbeiteten Kacheln. Sie zeigten die Heilige Familie auf dem Weg nach Bethlehem. Heimatforscher stuften den Kachelofen in das 17. Jahrhundert ein, kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg. Der Wulpert-Hof war damals schon über hundert Jahre alt.
    »Den Hund und die Katze kriegste jetzt nirgendwo los, Willi«, sagte Emmi und kehrte zum Frühstückstisch zurück. »Die müssen in die Glocke.«
    »Normal ja. – Aber seit gestern will ich den Hund gar nicht mehr verkaufen. So 'ne Type ist einmalig. Schwarz-weiß-rotes Fell … Der bleibt hier bei mir.«
    »Willi, das ist zu gefährlich! Den Hund kennt jetzt jeder. Wenn jemand kommt und sieht ihn bei dir, dann ist der Teufel los! Der Hund muß weg, in die Glocke.«
    »Niemand wird Fähnchen sehen.«
    »Wer ist Fähnchen?«
    »Mein Hund in den alten Nationalfarben!«
    »Fähnchen!« Emmi tippte sich an die Stirn. Sie kannte nun Wulperts überraschende Einfälle seit 34 Jahren, aber manchmal wurde es auch ihr zuviel. »Du bist doch nicht mehr ganz dabei.«
    »Emmi, das verstehst du nicht.

Weitere Kostenlose Bücher