Wer sich nicht wehrt...
dagegen habt, dann sagt es ruhig, wir hören euch ohne Groll zu. Wenn ihr es akzeptiert, dann hebt mit uns euer Glas und stoßt mit uns an … auf eine neue, glückliche Familie …‹«
»Das hast du wunderbar gesagt, Horst.« Sie senkte den Kopf, aber er sah doch, daß Tränen in ihren Augen standen. »Eine glückliche Familie … ich weiß gar nicht, was das ist.«
»Dann werden wir es aller Welt zeigen: die Tenndorfs aus Hannover!«
»Und du gibst sofort den Plan mit dem Einbruch und der Tierbefreiung auf …«
»Das ist ein anderes Kapitel, Carola.«
»Durchaus nicht. Es gehört jetzt zur ›Familie‹! Wir wollen keinen Papa, der im Gefängnis sitzt!«
»Das hast du ja wieder hervorragend hingekriegt!« sagte Tenndorf voller Anerkennung. »Besser als jede Polizeifessel! Liebling, laß uns darüber noch sprechen …«
»Nein. Du bist nicht der Typ, der maskiert den Räuber spielt. Auch wenn es um die armen Versuchstiere geht …«
»Vielleicht sogar um Micky und Pumpi.«
»Du glaubst doch nicht, daß sie noch leben?!«
»Nachdem ich das Wunder erfahren habe, eine neue himmlische Frau zu bekommen, will ich nun auch weiter an das Wunder glauben, unsere Tiere wiederzusehen …«
Sie küßten sich wieder. Eng umschlungen, alles vergessend. Sie merkten auch nicht, daß Wiga und Mike zurückkamen, in der Tür standen und mit offenem Mund das Bild, das sich ihnen bot, anstarrten. Dann aber stieß Mike Ludwiga an, blinzelte ihr zu, legte den Finger auf die Lippen, nahm sie an der Hand, und lautlos schlichen sie nebenan in die Küche.
Erst da sagte Mike stolz: »Na, wie haben wir das gemacht, Wiga?«
Und Wiga antwortete: »Prima, Mike. Jetzt wird Papa endlich auch für sich und für uns ein Haus bauen …«
7
Nach dem so unkompliziert verlaufenen ersten Tag in der Biosaturn brauchte Carola Holthusen keine Angst mehr zu überwinden, um am nächsten Tag erneut das Fabrikgelände betreten zu können. Wieder ging sie im weißen Laborkittel ungehindert an der Pförtnerloge vorbei und schwenkte sofort zu Haus 5 ab. Auf dem mit gebrannten Ziegeln gepflasterten Weg dachte sie an Dr. Schelling, der den Unwiderstehlichen spielte und offensichtlich bei anderen Frauen damit Erfolge erzielte. Gefahr sah sie nicht von ihm kommen, lediglich Unannehmlichkeiten, die man notfalls mit einer Ohrfeige beenden konnte.
In der Eingangsdiele von Haus 5 stieß sie auf Dr. Borromäus Polder, der unruhig hin und her ging. Als er Carola kommen sah, stürzte er auf sie zu und ergriff ihre Hand.
»Kommen Sie mit, schnell!« sagte er hastig. »In mein Zimmer.« Er zog sie durch Längs- und Querflure, von denen Carola später nicht sagen konnte, welche Erkennungsfarbe sie gehabt hatten, Gelb, Rot, Orange oder Blau, erreichte endlich sein Zimmer, stieß Carola hinein und schloß die Tür ab.
Schwer atmend ließ er sich dann auf einen Stuhl fallen – zweiundsechzig Jahre sind nun eben doch spürbar, auch wenn man es selbst nicht wahrhaben will – und sah Carola mit sorgenvollem Blick an.
»Warum tun Sie das?« fragte er.
»Was?«
»Sich hier einschleichen!«
»Ich habe mich nicht eingeschlichen.« Carola setzte sich ebenfalls auf einen Stuhl. Sie war völlig ruhig, ganz und gar nicht erschrocken, daß man sie entdeckt hatte. Sie spürte, daß von Dr. Polder für sie keine Gefahr ausging.
»In der Personalkartei werden Sie nicht geführt, der zuständige Abteilungsleiter hat noch nie Ihren Namen gehört, und ich wette, Sie haben auch keinen Werksausweis mit Codenummer und eingeschweißtem Lichtbild.«
»Stimmt! Das habe ich nicht.«
»Sie sind also illegal hier.«
»Man könnte es so nennen …« Sie blickte Dr. Polder lächelnd an. »Wie haben Sie das herausgebracht?«
»Ich nicht. Dr. Schelling.«
»Ein Widerling! Ein eingebildeter Lackaffe.«
»Aber bei den Damen hier der Platzhirsch.«
»Geht eigentlich jede Frau mit ihm ins Bett?«
»Was man so von ihm hört, danach muß es wohl so sein. Bei Ihnen ist er auf Granit gestoßen … meine Hochachtung.«
»Und nun hat er zur Jagd auf mich geblasen?«
»Ich vermute es. Aber seien Sie beruhigt, bei mir sind Sie sicher.« Dr. Polder tastete in seinen Taschen nach einer Zigarette. »Nur eines müssen Sie mir erklären: Warum sind Sie hier? Industriespionage? So sehen Sie mir nicht aus. Ausforschung für die Konkurrenz? Auch das traue ich Ihnen nicht zu. Warum also?«
»Es geht um einen kleinen Hund und eine kleine Katze.«
»Wie bitte?« Dr. Polder starrte sie wirklich
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