Wer sich nicht wehrt...
lernt der Kerl fliegen.« Er stieß den Reporter gegen die Scheunenwand und drückte ihn mit seinen Fäusten dagegen. »Hast du, Lauro?«
»Alles klar, Chef.« Kabelmann kam zu ihnen. »Film ist raus! Hier ist der Apparat.«
Wulpert nahm die Kamera, drückte sie dem Reporter in die Hand, stieß ihn durch das Hoftor und gab ihm dort drei kräftige Ohrfeigen. Der Kerl schwankte unter den Schlägen, aber er wehrte sich nicht. Gegen einen solchen Bullen von Mann kam er nicht an, auch wenn Wulpert nur noch ein Bein hatte.
»Beim nächsten Mal biste krankenhausreif!« brüllte Wulpert und gab dem Reporter noch einen Stoß vor die Brust. »Da kannste deine Knochen aufsammeln! Hau ab, Mensch!«
»Das wird Ihnen noch leid tun«, sagte der Reporter schwer atmend. »Ich kann auch ohne Fotos über Sie berichten …«
»Noch ein Wort, und du hast ein zermatschtes Gehirn!« schrie Wulpert. Dann stürmte er zum Haus zurück. Dort lehnte Kabelmann an der Wand und hielt ihm den Film entgegen. Wulpert riß ihn ihm aus der Hand und rannte ins Haus. So sah er nicht, wie Kabelmann dem Reporter zuwinkte und das Fingerzeichen des Siegers machte. Und Wulpert ahnte nicht, daß er einen unbelichteten Film mitgenommen hatte. Der richtige, belichtete Film steckte in Kabelmanns Hosentasche. Und er zeigte nicht nur den Bauernhof von außen, sondern die Ställe von innen, die langen Reihen von Käfigen aller Größe, die verängstigten Tiere in drangvoller Enge, das schreckliche Elend der ›Voroperierten‹.
Und noch etwas hatte man erreicht: Wulpert geriet in eine versteckte Panik. Man hatte ihn entdeckt. Die Presse war ihm auf der Spur …
Am Abend stand Tenndorf vor Carola Holthusens Tür, eine dickbauchige Flasche im Arm, das Gesicht bühnenreif zu einer traurigen Maske verzogen.
»Sagen Sie jetzt nicht: Ich habe keine Zeit. Ich muß irgendwohin. Vor Ihnen steht eine Vollwaise und …«
»Kommen Sie rein!« lachte Carola. »Was haben Sie denn da mitgebracht?«
»Eine große Pulle Champagner … eine Magnumflasche. Gut vorgekühlt.«
»Champagner? Was muß denn gefeiert werden?«
Sie ging zu dem Schrank mit den Gläsern, holte zwei Sektflöten heraus und eine silberne Schale mit Gebäck, das sie immer griffbereit hatte. Wie Millionen andere war auch sie dem Laster verfallen, vor dem Fernsehapparat zu knabbern. Doch hatte sie vielen eines voraus: Sie hatte keine Probleme mit der Figur. Sie konnte naschen, ohne bereuen zu müssen.
»Wir feiern heute meinen zweiten Beruf!« Tenndorf wickelte die Staniolverkleidung von dem Champagnerkorken.
Carola blickte ihn zweifelnd an. »Zweiter Beruf? Haben Sie vielleicht eine Baugesellschaft dazu gekauft?«
»Viel schöner! Ich werde ein Krimineller!«
»Wie bitte?«
»Ich werde Einbrecher, Dieb und Mithelfer.«
»Lassen Sie die Witze«, sagte Carola. So gern sie Tenndorf mochte und sich innerlich sehr mit ihm beschäftigte, manchmal ärgerte sie sich über seine sarkastische Art und seine spöttischen Bemerkungen, die ihm oft einen Anflug von Arroganz verliehen. »Was sollen wir mit dem Champagner begießen?«
»Ich weiß, es ist schwer, das zu glauben. Aber in ein paar Tagen vielleicht werde ich von der Kriminalpolizei gesucht werden, nur heiße ich dann in den Akten Unbekannt.«
»Was haben Sie da wieder gemacht, Horst?« Carola setzte sich ihm gegenüber in den Sessel. »Nein! Lassen Sie die Flasche noch zu. Erst erzählen Sie mir alles genauer, und dann entscheide ich, ob man so etwas feiern kann oder für total verrückt erklärt …«
»Ich fürchte das Letztere. Total verrückt! Aber auch das ist es wert, mit Schampus getauft zu werden.« Tenndorf ließ den Korken knallen und goß die Gläser voll.
Carola schüttelte den Kopf. »Nun mal ernst«, sagte sie geduldig. »Was feiern wir?«
»Ganz ernst: daß wir einmal allein sind. Wiga hat Klavierunterricht, Ihr Mike ist im Judo-Kursus. Wir haben eine Stunde für uns, für uns ganz allein … eine volle Stunde! Ist das kein Grund für Champagner?«
»Nur bedingt.« Sie lächelte ihn an und wußte nicht, was sie damit in Tenndorf entzündete. »Eine Stunde ist schnell herum.«
»Drum nutze die Zeit und zerrede sie nicht. Das ist nicht von einem Philosophen, sondern von mir. Gut, nicht?«
»Sie fangen schon wieder an, mich aufzuregen.«
»Und wenn das Absicht ist …?«
»Aufzuregen im negativen Sinne!« Sie hob ihr Glas, weil Tenndorf ihr das seine entgegenstreckte, und stieß mit ihm an. »Und was noch?«
»Meine kriminelle
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