Wer sich nicht wehrt...
Jahrhunderts.
»Niemand! Das wollte ich damit ausdrücken.«
»Ihre Schlagfertigkeit imponiert, meine Dame. Wo aber wird sie bleiben, wenn ich Ihnen sage, was ich über Sie herausbekommen habe?«
»Frau Holthusen ist bereits informiert.« Dr. Polder ergriff Carolas Arm. »Ich werde sie jetzt auf das Firmengelände führen. Wir waren gerade dabei …«
»So einfach ist das nicht!« Dr. Schelling grinste breit. »Eine Werkspionin muß schon etwas opfern, um unbehelligt davonzukommen.«
»Reden Sie kein Blech, Schelling!« sagte Dr. Polder hart.
»Das mindeste ist ein Wegzoll … ein Küßchen …«
»Jetzt werden Sie sogar kindisch.«
»Moment mal!« Dr. Schellings Stimme veränderte sich, sie wurde schneidend. »Werden wir jetzt dienstlich! Was hier passiert ist, kann man nicht so einfach wegwischen, auch wenn man sich sagt, man könnte es! In die streng geheimen Forschungslabors hat sich eine fremde Person eingeschlichen. Ich sage bewußt Person, um die Anonymität zu dokumentieren und nicht gefühlsmäßig zu reagieren. Ich habe diese Person gestellt und wäre dazu verpflichtet, den Werkschutz zu alarmieren und dann die Polizei. Das Einsickern der Person in die Biosaturn muß ja einen triftigen Grund haben …«
»Genau das ist es!« Carola Holthusen lächelte Dr. Schelling an. »Wenn Sie jetzt zum Telefon greifen und die Polizei rufen, ist es genau das, was ich will!«
»Wie bitte?«
»Wir sind in der mieseren Position, Kollege Schelling.« Dr. Polder griff nach Mantel und Hut. Draußen schneite es wieder, dicke, lautlose Flocken, ein Wintermärchen. »Die Polizei wird uns hochgehen lassen, um im Jargon zu bleiben. In unserer Versuchstierabteilung haben wir eine Anzahl offenbar gestohlener Tiere.«
»Nein!«
»Ich habe mich selbst davon überzeugt. Sie sind zwar ordnungsgemäß gegen Rechnung und Quittung geliefert, aber von den Händlern geklaut worden!«
»Da kann man doch uns keinen Vorwurf machen!«
»Wir sind verpflichtet, uns über die Herkunft der Tiere zu informieren. Ihr Schuß mit der Polizei geht nach hinten los!« Dr. Polder sah Dr. Schelling fordernd an. »Geben Sie nun endlich die Tür frei, Kollege?!«
»Ungern. Ohne Wegzoll …« Dr. Schelling trat zur Seite. »Es ist aber immer noch nicht geklärt, warum die schöne Frau …«
»Die schöne Frau sucht einen Hund und eine Katze, die ihr gestohlen worden sind!« sagte Carola hart. »Zufrieden?« Sie ging an ihm vorbei aus dem Zimmer.
Auf dem Flur holte Dr. Polder sie ein, faßte sie unter und brachte sie aus dem Gelände der Biosaturn hinaus bis zu ihrem Wagen. Dort hielt er beim Abschied ihre Hand fest, länger als notwendig.
»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch.« Dr. Polder machte den Eindruck eines verliebten, schüchternen Primaners. »Ich mag Sie. Vor allem aber möchte ich Ihnen helfen. Ich werde jetzt mehr und selbstkritischer über die Tierversuche nachdenken. Mein Gott, ich führe sie ja selbst durch, ich stehe ja auch in der Reihe der Pharmaforscher. Und oft ist es sinnlos, was man da in den Retorten zusammenkocht. Mittlerweile gibt es für jede Krankheit durchschnittlich zehn Medikamente gleicher Substanzen, nur die Namen und Firmen sind verschieden. Um diese Flut an den Mann, das heißt an den Arzt und den Patienten, zu bringen, gibt die Pharmaindustrie jährlich fünf Milliarden Mark aus, mehr als das Doppelte dessen, was man in die Erforschung neuer Medikamente steckt. Begreifen Sie? Fünftausend Millionen Mark nur für die Werbung! Unvorstellbar! Und wissen Sie, wieviel Arzneimittelvertreter und sogenannte Ärzteberater allein in Deutschland tagaus, tagein durch die Lande ziehen? 16.000 Mann! Eine ganze Armee. Bei rund 36.000 zugelassenen Ärzten kommt auf fast jeden zweiten Arzt ein Pharmaberater! Dafür forschen wir …«
»… und bringen Millionen Tiere um!«
»Wir drehen uns bei diesem Thema in einem Teufelskreis. Tierliebe und Achtung vor dem Leben gegen Heilung, Hilfe und Lebensverlängerung beim Menschen … Es kann da einfach keine klare Entscheidung fallen! Denken Sie an das jetzt so aktuelle Problem AIDS, auf das auch wir uns konzentrieren. Wir kennen das Virus und stehen trotzdem heute noch hilflos da! Und schon erheben sich überall die Stimmen: Wo bleiben die ach so klugen Ärzte? Was tut die Forschung? Warum kommt man nicht weiter in der Therapie? Warum dauert alles so lange, warum müssen immer mehr Menschen sterben? Immer nur warum, warum, warum! Aber wenn wir dann sagen: Ja, wir forschen ja,
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