Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer sich nicht wehrt...

Wer sich nicht wehrt...

Titel: Wer sich nicht wehrt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Tränen!« Aßmann hängte seinen Mantel an den Kleiderhaken. Er war ein noch junger, forscher Kommissar, der wenig Verständnis für Sentimentalitäten aufbringen konnte. »Moni, Häschen, mach mir einen starken Kaffee. Ich ahne Böses. Heute ist ein richtiges Ganovenwetter …«
    Unter den fragenden Blicken von Carola Holthusen legte Tenndorf den Hörer zurück aufs Telefon.
    »Die Kriminalpolizei kann auch nicht helfen, nicht wahr?« fragte sie leise.
    »Kaum. Das war die neunte Anzeige wegen Tierdiebstahls. Übrigens ist nach dem deutschen Gesetz ein Tier nur eine Sache.«
    »Aber es gibt doch das Tierschutzgesetz!«
    »Das regelt nur das Verhalten des Menschen gegenüber einem Tier. Wenn ich ein Kind stehle, ist das Kindesentführung … wenn ich einen Hund stehle, ist das nicht anders, als wenn ich ein Fahrrad mitnehme. Eine Sache. Das sind unsere humanitären Gesetze, und schon im Wort liegt die Abgrenzung: Humanität heißt Menschlichkeit. Vom Tier ist nie die Rede.« Tenndorf wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Mir fällt da der französische Philosoph René Descartes ein, der Mann, der den Lehrsatz geprägt hat: ›Ich denke, also bin ich.‹ Er sah den Menschen aufgrund der Vernunft als höchstes Lebewesen an, von der übrigen Natur rigoros getrennt. Tiere waren für ihn deshalb gefühllos, ohne Empfinden, Reflexautomaten. Das Schreien gequälter Tiere war für ihn nichts anderes als das Quietschen einer Maschine … eine mechanische Reaktion! Welch eine ungeheuerliche Anmaßung! Der Mensch darf alles! Das Tier ist keine Person, das Tier ist nur eine Sache … das wirkt bis heute nach in der Justiz, die aus der römisch-rechtlichen Tradition erwachsen ist. Schon damals gab es den Unterschied zwischen Personen und Sachen, und da ein Tier keine Person ist, wird es zur Sache. Ein Kreisverkehr des Denkens, aus dem noch niemand ausgebrochen ist.«
    »Wie klug! Wie ungeheuer klug Sie reden können!« Carolas Stimme war voll Bitterkeit. »Davon kommen Pumpi und Micky aber nicht wieder!«
    Tenndorf stieß sich von der Wand ab und suchte in seiner Jackentasche. »Darf ich hier rauchen?«
    »Ich rauche auch beim Entwerfen.« Carola wollte ihm Feuer geben, aber er nahm ihr das Feuerzeug aus der Hand und machte dann einen tiefen Zug an seiner Zigarette. Erst dann fiel ihm auf, daß er Carola Holthusen keine Zigarette angeboten hatte, und hielt ihr die Schachtel mit einem »Pardon« hin.
    Carola schüttelte den Kopf. »Wie geht es nun weiter, Sie Philosophenkenner? Sollen wir unseren Kindern erzählen, daß ein Herr Descartes eigentlich an allem schuld ist? Oder die alten Römer? Sollen wir das Verschwinden der Tiere einfach hinnehmen und wirklich einen neuen Hund und eine neue Katze kaufen?«
    »Natürlich nicht.«
    »Aber was können wir tun?«
    »Auf eigene Faust suchen …«
    »Wo?«
    »Wir brauchen nur ein Sandkörnchen … dann finden wir auch die dazugehörende Wüste.«
    »Sie scheinen eine Begabung für schöne Sprüche zu haben, Herr Tenndorf.« Carola verbarg nicht ihre Enttäuschung und ihre innere Hilflosigkeit. »Was können Sie sonst noch anbieten?«
    »Die Öffentlichkeit.«
    »Was soll denn das?«
    »Wir werden in die Zeitungen von Hannover und Niedersachsen eine Anzeige setzen und die Öffentlichkeit auffordern, mit uns Pumpi und Micky zu suchen. Ich stelle mir das so vor: eine schwarz umrandete, zweispaltige Anzeige. Text: Am 3. Dezember wurden uns von der Straße unsere Lieblinge Pumpi und Micky gestohlen. Pumpi ist ein Hund, schwarz-weiß-rotes struppiges Fell, eine richtige Promenadenmischung, aber treu und klug und für mich der schönste Hund, den es gibt. Und Micky ist eine Katze, rot-weiß gestreift mit schönen grünen Augen und einem roten Halsband mit kleinen goldenen Nieten. Als meine Mami starb, hatte ich auf der Welt nur noch Papi und sie. Wer hat Pumpi oder Micky gesehen? Wer sie gestohlen hat, soll sie bitte, bitte zurückbringen. Und wenn sie in ein Forschungslabor kommen, schneidet sie nicht auf, quält sie nicht mit Experimenten! Gebt sie uns wieder. Ludwiga Tenndorf, acht Jahre, und Michael Holthusen, neun Jahre. Und dann meine Adresse.« Tenndorf atmete tief auf. »Das wird man lesen.«
    »Und Sie glauben wirklich, daß man dann Pumpi und Micky zurückbringt?!«
    »Zumindest rechne ich damit, daß der Tierfänger unruhig wird und die Tiere nicht weiterverkauft.«
    »Bestimmt nicht. Er wird sie sofort töten, um alle Spuren zu verwischen.«
    Tenndorf senkte den

Weitere Kostenlose Bücher