Wer sich nicht wehrt...
leiser hinzu: »Und morgen schwänzen wir die Schule und fahren hinaus nach Otternbruch.«
Mit der Rückkehr von Arras war zwar die häusliche Eintracht bei Prof. Sänfter wieder hergestellt, was schon dadurch zum Ausdruck kam, daß Regina wieder zu einer ihrer mondänen Cocktail-Parties einlud, bei der sich dann alles traf, was in Hannover zur ›Gesellschaft‹ zählte. Aber Prof. Sänfter hatte eine Wandlung durchgemacht, von der zuerst Horst Tenndorf erfuhr.
Erstaunt begrüßte er Prof. Sänfter, der am frühen Vormittag bei ihm im Architektenbüro erschien und um ein paar Minuten Gehör bat.
»Mit Ihrem Hallenschwimmbad bin ich noch nicht weitergekommen, Herr Professor«, sagte Tenndorf sofort. »Die letzten Wochen waren einfach zu turbulent. Aber wenn alles gut geht und das Bauamt mitspielt, können wir im Frühjahr den Bau zügig durchziehen. Ich glaube nicht, daß die Behörde gegen einen Hallenbad-Anbau etwas vorzubringen hätte … schon gar nicht bei Ihnen, Herr Professor.«
»Das Hallenbad!« Sänfter winkte ab, setzte sich neben ein großes Reißbrett und legte die Hände auf die Knie. »Das existiert bei mir im Moment ganz im Hinterkopf. Ich habe eine viel erfreulichere Mitteilung zu machen. Mein Arras ist wieder da!«
»Gratuliere! Er war also doch nur weggelaufen? Eine schöne Hündin, was? So eine Art Liebesausflug …«
»Nicht ganz.« Sänfter atmete tief durch. »Er lag bei mir im Institut auf dem OP-Tisch.«
Das Schweigen, das folgte, kam beiden ungewöhnlich lang vor, auch wenn es nur ein paar Atemzüge dauerte. Endlich sagte Sänfter: »Da sind Sie platt, Herr Tenndorf …«
»Das bin ich, Herr Professor. Völlig platt.«
»Am Nachmittag gestohlen, am nächsten Morgen schon auf dem Tisch – so schnell geht das bei den Halunken! Mein Laborleiter hat ihn und einen zweiten Schäferhund von einem privaten Anbieter gekauft. Der Kerl nannte sich Schneider. So heißen in Hannover Hunderte. Absolut sinnlos, da nachzuforschen. Außerdem dürfte der Name falsch sein.«
»Mit Sicherheit.«
»Sage ich auch. Kommissar Abbels sieht da keine Chance. Oberstaatsanwalt Dallmanns hat zwar Anklage gegen Unbekannt erhoben – eine reine Formsache. Mir zu Gefallen. Aber was bringt es?«
»Nichts.«
»Weshalb ich hier bin, Herr Tenndorf: Ich habe mir gedacht, daß es für Sie von großem Interesse ist, wie blitzschnell die Tiere verschoben werden. Sie … Sie verstehen …«
Tenndorf nickte. »Danke, Herr Professor. Ich habe nie damit gerechnet, Pumpi und Micky wiederzusehen. Aber das konnte ich ja den Kindern nicht erklären. Ich habe alles, was möglich war, getan, nur um die Kinder zu beruhigen, nicht mich. Noch glauben sie an ein Wiedersehen – es wird schwer werden, ihnen zu sagen, daß es Pumpi und Micky nicht mehr gibt.« Er lehnte sich an die Wand neben dem Reißbrett und blickte auf Prof. Sänfter hinab. »Stellen Sie sich vor, Ihr Arras wäre nicht an Ihr Institut verkauft worden, sondern zum Beispiel an die Biosaturn …«
»Darüber habe ich lange nachgedacht. Vielleicht wäre Arras heute schon mit chemischen Stoffen vollgepumpt …«
»Oder er hinge in einem Gestell, gespickt mit Schläuchen und Meßinstrumenten. Sie hatten da eindrucksvolle Fotos auf Ihrem Schreibtisch, Herr Professor.«
Sänfter schwieg.
Er hatte die ganze Nacht mit sich selbst gerungen, war in seinem Schlafzimmer hin und her gelaufen – natürlich schlief man in der Sänfter-Villa getrennt. Regina hatte sich zum Schlafen ein Luxusreich eingerichtet mit weißgoldenem Barockbett, Barockengeln an den Wänden, schillernden Seidentapeten und dickflauschigem Teppich. Sänfters Schlafraum dagegen war wirklich nur ein Zweckzimmer, wenn auch mit Mahagonimöbeln und einem anschließenden marmorgefliesten Bad.
»Ich habe das alles zu leicht und zu selbstverständlich hingenommen«, sagte Sänfter nachdenklich. »Man muß das verstehen. In jeder Universität werden Tiere seziert, jeder angehende Mediziner arbeitet am Tier und verliert dabei das Gefühl, daß er ein lebendes, schmerzempfindendes Wesen vor sich hat. Für Promotionsarbeiten wird am Tier experimentiert, wo man hinblickt, findet die Forschung am Tier statt, und es gibt nur wenige Mediziner oder Chemiker, die laut sagen: Es könnte auch anders gehen, man muß sich nur umstellen. Natürlich ist es einfacher, einem Affen Gift in die Venen zu spritzen und später sein Gehirn aufzuschneiden, um die Wirkung des Giftes zu prüfen, als wenn man einen Computer einsetzt
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