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Wer sich nicht wehrt

Wer sich nicht wehrt

Titel: Wer sich nicht wehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wildenhain
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auf!«
    Wir, die wir noch zaudernd an der Tür zusammenstanden, fanden Ayfer mutig. Andererseits war es unmöglich, einfach mir nichts, dir nichts auf den eigenen Platz zu verzichten: Plätze haben Bedeutung. Und wenn man den eigenen aufgibt, stellt man sich vor allen seinen Freunden bloß.
    Ayfer wusste das. Sie wusste es genauso wie wir Deutschen. Da gab es keine Unterschiede. Jeder kannte die Regeln. Jeder musste sich dran halten. Oder alles wäre sinnlos. Egal, was man sonst noch tat.
    Also tippte Ayfer Glatze 1, der rechten, sachte auf die Schulter, atmete tief durch und sagte: »Du, es gibt noch andre Plätze, aber das hier wäre meiner.«
    » Wäre? «, wiederholte Glatze 1 und würdigte Ayfer nicht mal eines Blickes.
    Glatze 2, ein dumpfes Gurgeln: »Was heißt wäre?«
    Dann erst drehten sich beide langsam um und musterten Ayfer, als wären sie verblüfft, dass jemand neben ihnen stand.
    Vielleicht hatten sie sich wirklich von ihr überraschen lassen. Doch wahrscheinlich taten sie nur so. Ihre Blicke wanderten ausgiebig an Ayfer hoch und runter: So eine ist das also, die uns was sagen will!
    Der eine schnippte mit den Fingern an der Stelle, wo sie ihn berührt hatte, etwas Unsichtbares – plipp! plipp! und noch mal plipp! – von seinem T-Shirt.
    Auf dem T-Shirt stand ein Wort: Scheiße . Das Wort war unterstrichen. Es fiel mir auf, als Sürel sich eilig an uns vorbei ins Klassenzimmer drängte.
    »Nicht nur wäre «, sagte Ayfer, jetzt im Ton schon etwas schärfer, »sondern ist!«
    Sürel, der nun neben sie trat, nickte. Immer noch schien sich sein Körper viel zu hastig vorwärtszubewegen. »Es ist unser Platz, versteht ihr?«, sagte er. Die beiden Schädel blickten sich nur fragend an.
    Sie verschränkten ihre Arme. Doch bevor noch irgendjemand etwas hätte sagen können, ruckten ihre schweren Leiber von den Lehnen weg nach vorn. Und die fast geschlossenen Münder zischten: »Von Kanaken lassen wir uns gar nichts sagen! Merkt euch das!« Danach hörten wir das Klingeln.
    Mit dem Klingeln wühlte sich unsere Klassenlehrerin zu uns durch. Wir standen immer noch im Türrahmen und glotzten. Stumm, ein regungsloser Pulk, der mit offenen Mündern staunte. Auch wir nannten im Streit manchmal einen Türken Scheiß-Kanake. Doch das war nur so gesagt, während man dem Ton der Glatzen anhörte, dass für sie jeder Türke ein Kanake war.
    Nichts geschah, obwohl wir horchten. Wie Nebel blieb der Satz im Klassenzimmer hängen. Eilig lief die Lehrerin nach vorn zu ihrem Pult. Sah sich um, sah auch Ayfer, die sehr blass geworden war. Hatte sicherlich auch Sürel, der sich auf sie zu bewegte, schon bemerkt und hätte doch als Lehrerin etwas unternehmen müssen. Aber unsere liebe Lehrerin – Maren Schubert: »Für euch Maren!« –, die wir seit der siebten Klasse, also seit zwei Jahren hatten, sah die beiden sitzen, Glatze 1 und Glatze 2, jetzt zurückgelehnt, die Arme klobig vor dem breiten Brustkorb. Sah sich um und meinte: »Ach! Ihr habt euch anders hingesetzt?«
    Pause, dann: »Das ist doch hübsch.« Eines ihrer Lieblingswörter. Doch es klang, als würde sie selbst nicht glauben, was sie sagte.
    Ihre Augen blinzelten. »Wartet rasch, ich muss noch etwas holen.«
    Kurzes Flattern, und im Raum blieb nur der Geruch ihres Deos. Und die Stille, die sich vorzutasten schien. Ein Krake, groß, hässlich, gemein und ungerührt.
    Jeder konnte sehen, dass Ayfer vor Erregung bleich war und sich nur mit Mühe noch beherrschte. Dennoch hielt sie Sürel fest, der schon einen Schritt auf seinen Platz zu machen wollte. Und sie murmelte mit weißen Lippen: »Warte!«
    Durch ihren Körper ging ein Ruck. Diesmal musste sie nicht trippeln, sondern baute sich entschlossen vor dem Kahlkopf Nummer 1 auf und tippte ihm noch einmal an die rechte Schulter. Dann sagte sie mit Nachdruck: »Da gibt es nichts zu schnippen, nur weil dich jemand antippt. Also steh jetzt auf.«
    Diesmal war das knappe Schweigen angespannt. Und weil wir uns unwohl fühlten, malten wir mit unseren Schuhen auf den Klassenboden Muster, die wir danach angestrengt betrachteten, als könnte man noch etwas dran verbessern.
    Glatze 1 stand auf und trat dicht an sie heran. Er hob sogar die eine Hand, als ob er Ayfer schlagen wolle. Doch der rechte Arm blieb ihm plötzlich in der Leere hängen. Und man sah, dass er sich etwas anderes hatte einfallen lassen. Immer noch gespanntes Schweigen. Dann trat er zurück und legte Ayfer beide Hände auf die Brüste.
    Was danach

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