Wer stirbt, entscheidest du
tot, Kind entführt, und sie ist aktenkundig als ein Mädchen, das den Bruder ihrer Freundin auf dem Gewissen hat. Mit anderen Worten, sie weiß, dass ihr niemand glauben wird, wenn sie sagt: Hey, irgendein Mafiakiller hat meinen Mann wegen dessen Spielschulden mit meiner Dienstwaffe kaltgemacht, und jetzt brauche ich eure Hilfe, um ein Kind zu retten … »
«Hätte ich ihr tatsächlich nicht abgenommen», gab D.D. unumwunden zu.
«Cops sind die geborenen Zyniker», wiederholte Bobby.
«Sie ist also gezwungen, sich ein paar Gedanken zu machen», fuhr D.D. fort. «Sophie bekommt sie nur dann zurück, wenn sie Geld beschafft, was aber im Gefängnis nicht möglich ist.»
«Sie musste weit vorausplanen», meinte Bobby.
«Und vor dem Hintergrund der Tragödie um Tommy bleiben ihr nur zwei Möglichkeiten. A – sie plädiert auf Notwehr. Ein gewalttätiger Ehepartner wäre in der Tat ein positiver Verteidigungseinwand. Aber weil das zu riskant ist, knüpft sie ein Sicherheitsnetz. Plan B tritt in Kraft: Sie versteckt die Knochen des Hundes im Wald und lässt uns glauben, es seien die Überreste ihrer Tochter. Denn wenn man ihr die Notwehr nicht abkauft und sie ins Gefängnis steckt, muss sie irgendwie zu fliehen versuchen.»
«Clever», kommentierte Bobby. «Wie Juliana sagte, clever und unabhängig.»
«Aber sie macht es sich auch verflixt kompliziert», entgegnete D.D. mit finsterer Miene. «Auf der Flucht an Geld ranzukommen, ohne entdeckt zu werden, dürfte ziemlich schwierig sein. Würdest du an ihrer Stelle ein solches Risiko eingehen? Wäre es nicht besser, sie gibt auf und bittet uns um Hilfe? Wir hätten doch die sehr viel größeren Chancen, den Killer zur Strecke zu bringen und Sophie zu retten.»
Bobby zuckte mit den Achseln. «Vielleicht hält sie nicht viel von anderen Cops.»
D.D. hatte einen Einfall. «Vielleicht ist ein anderer Cop Teil ihres Problems.»
Bobby brauchte eine Weile, verstand aber dann, was sie meinte.
«Wer hat sie zusammengeschlagen?», erinnerte D.D. «Und zwar so gründlich, dass sie zwanzig Stunden flachlag? Wer war am Sonntagmorgen da, um ihr seine Hand auf die Schulter zu legen? Was wie kollegialer Beistand aussah, könnte auch eine Drohung gewesen sein.»
«Trooper Lyons.»
«Der hilfreiche Freund, der ihren Mann an den Spieltisch gebracht hat. Könnte durchaus sein, dass Lyons damals schon Dauergast in Foxwoods war.»
«Vielleicht ist er nicht nur Teil des Problems», murmelte Bobby.
«Schnappen wir ihn uns!», sagte D.D. Sie hatte sich schon in Bewegung gesetzt und stieg die Verandastufen hinunter. Bobby hielt sie am Arm zurück.
«Ist dir klar, was das bedeuten würde?»
«Na, was schon? Wir setzen ihn fest.»
«Nein. Wenn wir richtigliegen und er steckt wirklich hinter der Sache, weiß er auch, wo Sophie ist.»
D.D. blieb stehen. Sie war sichtlich aufgebracht. «Hör zu, Bobby. Wir dürfen keine Fehler machen. Ich habe einen Plan.»
[zur Inhaltsübersicht]
36. Kapitel
Das Getriebe und die Bremsen des alten Ford hatten ihre Macken. Nach der Wetterwarnung und der späten Stunde wegen waren die Straßen zum Glück leer. Ich passierte mehrere Schneepflüge, Abschlepp- und Streifenwagen. Um nicht aufzufallen, hielt ich mich peinlich genau an das Tempolimit. Trotzdem hatte ich das Gefühl, in meiner schwarzen Kluft und mit der tief in die Stirn gezogenen Baseballkappe von allen misstrauisch gemustert zu werden auf dem Weg nach Boston.
Langsam näherte ich mich meinem Haus. Die Scheinwerfer trafen auf das schwarz-gelbe Absperrungsband, das sich gespenstisch grell vom Schnee abhob und alle Welt wissen ließ: Achtung, hier ist was Schlimmes passiert.
Ich fuhr weiter und stellte den Wagen auf dem leeren Parkplatz beim Supermarkt ab.
Mit dem Matchbeutel über der Schulter lief ich zum Haus. Ich ging schnell, denn es gibt nur wenig Deckung in einer Großstadt, die ihre Straßen so großzügig beleuchtet. An der nächsten Ecke rechts, einen Block weiter unten links.
Shanes Streifenwagen stand vor seinem Haus. Es war fünf vor elf. Er würde also jeden Moment vor die Tür treten, um seinen Dienst zu beginnen.
Ich tauchte im Schatten des Hecks unter. Trotz der Handschuhe hatte ich kalte Finger. Ich versuchte, sie mit meinem warmen Atem beweglich zu halten, denn eine Ungeschicklichkeit konnte ich mir nicht leisten. Ich würde nur einen einzigen Schuss abgeben und entweder Erfolg haben oder scheitern.
Mein Herz hämmerte. Mir war ein wenig schwindlig. Ich hatte, wie
Weitere Kostenlose Bücher