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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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an, und ich sah in seinem Blick, dass er endlich begriffen hatte, was Sache war. Vielleicht hatte er wie ich während der letzten Tage erkennen müssen, dass es viele Höllen gab und dass es, egal wie tief man schon gesunken war, immer noch tiefer ging.
    «Ich nenne dir einen Namen», sagte er plötzlich. «An den musst du dich halten. Bring den Kerl um, heute Nacht noch. Schwör’s mir, Tessa. Bring ihn um, bevor er sich an meiner Familie vergreift.»
    «Versprochen.»
    «Ich liebe meine Frau und meine Kinder», flüsterte Shane. «Ich bin ein Scheißkerl, liebe aber meine Familie. Ich will, dass es ihnen gutgeht.»
    Jetzt war ich es, die nichts sagte.
    «Tut mir leid wegen Brian, Tessa. Wirklich. Es war nicht abzusehen, dass sie zu solchen Mitteln greifen, dass sie ihn töten und Sophie verschleppen. Ich hätte mit dem Spielen nie anfangen dürfen …»
    «Ich höre, Shane. Wie lautet der Name? Wer hat Brian erschossen? Wer hat meine Tochter gekidnappt?»
    Er musterte mein zerschlagenes Gesicht und schien innerlich zu verkrampfen. Dann nickte er, richtete sich auf und straffte die Schultern. Er war einmal ein guter Polizist gewesen, ein guter Freund. Vielleicht versuchte er dahin zurückzufinden.
    «John Stephen Purcell», sagte er. «Ein Geldeintreiber. Er hat Sophie oder weiß zumindest, wo sie ist.»
    «Seine Adresse?»
    Er zögerte kurz. «Nimm mir die Handschellen ab, und ich besorge sie dir.»
    Seine kurze Pause hatte mich gewarnt. Ich schüttelte den Kopf und hob die Glock.
    «Tessa, bitte. Ich habe dir gesagt, was du wissen wolltest.» Er ließ die Handschellen rasseln. «Himmelherrgott, lass mich gehen. Ich helfe dir, deine Tochter zurückzuholen. Wir werden Purcell zusammen aufsuchen. Komm …»
    Ich lächelte traurig. Shane hätte mir all dies auch schon Samstag sagen können, hatte mich aber stattdessen aufgefordert, den Mund zu halten, und, o ja, versprochen, am nächsten Morgen zu kommen und mich windelweich zu schlagen.
    Guter Brian, böser Brian.
    Guter Shane, böser Shane.
    Gute Tessa, böse Tessa.
    Vielleicht war für uns drei die Grenze zwischen Gut und Böse schmaler, als sie hätte sein sollen. Wir hatten sie überschritten, und nun gab es kein Zurück mehr. Wir waren, was wir waren, und sind nun, was wir sind.
    «Shane», flüsterte ich. «Denk an deine Söhne.»
    Er wirkte kurz verwirrt, doch dann sah ich, dass ihm ein Licht aufging. Er wusste, für Familien von Cops, die im Dienst umkamen, wurde gesorgt, nicht aber für solche, die in kriminelle Machenschaften verwickelt waren.
    Shane war nach eigenen Worten ein Scheißkerl, aber kein Totalversager.
    Der gute Shane dachte an seine drei Söhne und zog die logische Schlussfolgerung daraus. Das sah ich, denn er ließ die Schultern hängen, und seine Miene entspannte sich.
    Shane Lyons schaute mich ein letztes Mal an.
    «Tut mir leid», hauchte er.
    «Mir auch», erwiderte ich.
    Dann drückte ich ab.

    Anschließend setzte ich den Streifenwagen von der Einfahrt auf die Straße zurück und fuhr zu einer Industriebrache, die bekannt war für zwielichtige Umtriebe. Ich hielt hinter einer leeren Lagerhalle an und machte mich an Shanes Leiche zu schaffen, die noch warm und beweglich war.
    Ich durchsuchte seine Taschen und entdeckte neben seinem Handy einen Papierschnipsel mit Ziffern, die wie GPS-Koordinaten aussahen. Das Navigationsgerät am Armaturenbrett spuckte mir eine Adresse aus.
    Ich kehrte zur Rückbank zurück, nahm Shane die Handschellen ab und legte ihm sein Dienstkoppel an. Es war eine Gefälligkeit von mir gewesen, ihn mit Brians Glock zu erschießen. Ich hätte es auch mit seiner eigenen Sig Sauer tun und einen Selbstmord vortäuschen können. Doch dann wären Tina und die Jungs leer ausgegangen.
    So rücksichtslos bin ich dann doch wieder nicht , dachte ich. Nicht ganz so kalt.
    Mein Gesicht fühlte sich seltsam taub an.
    Ich konzentrierte mich auf meine nächsten Schritte. Die Nacht war noch jung, und ich hatte einiges zu tun.
    Ich ging um den Streifenwagen herum und öffnete den Kofferraum. State Trooper sorgten immer vor, und Shane enttäuschte mich nicht. Er hatte einen Kasten Wasser dabei, ein halbes Dutzend Müsliriegel und sogar ein paar Fertiggerichte. Ich packte das Zeugs in meinen Matchbeutel, stopfte mir einen Riegel in den Mund und schloss mit Shanes Schlüssel die Abdeckung des Waffenkastens auf.
    Darin steckten eine Remington-Flinte, ein M4-Karabiner, etliche Schachteln Munition und ein KA-BAR-Messer.
    All das nahm

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