Wer stirbt, entscheidest du
Personalakte und enthält die Namen von Personen, die im Notfall zu verständigen sind.»
«Wie bitte?»
«Neben ihrem Mann ist das eine gewisse Brandi Ennis. Ich glaube, es ist die Tagesmutter, die auf Sophie aufpasst, wenn Trooper Leoni Streife fährt und Brian Darby unterwegs ist.»
«Verdammt.» D.D. riss das Fax an sich, las und klappte ihr Handy auf.
Brandi Ennis ging gleich nach dem ersten Rufton ans Telefon. Ja, sie habe es in den Nachrichten gehört. Ja, sie sei bereit, mit ihr zu reden. Sofort. Gern auch bei ihr zu Hause. Sie nannte ihre Adresse.
«Ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen», versicherte D.D. der Frau, die schon älter zu sein schien. Und schon waren sie auf dem Weg.
Zwölf Minuten später hielten sie vor einem klobigen Ziegelbau. Von den weißgestrichenen Leibungen der kleinen Fenster blättert die Farbe ab; die Betonstufen vor der Eingangstür bröckelten.
Ein Arme-Leute-Haus, dachte D.D., und wahrscheinlich trotzdem noch zu teuer für seine Mieter.
Draußen spielten ein paar Kinder und versuchten, einen Schneemann zu bauen. Auch der wirkte armselig. Als sie die beiden Cops aus dem Wagen steigen sahen, rannten sie schnell ins Haus. D.D. verzog das Gesicht. Trotz zahlloser Stunden wohlgemeinter Aufklärungsarbeit in diesem Milieu nahmen die meisten Jugendlichen immer noch Reißaus vor der Polizei. Leichter wurde es D.D. und ihren Kollegen dadurch nicht.
Mrs. Ennis wohnte im ersten Stock, Apartment 2C. D.D. eilte die Treppe hinauf und klopfte leise an eine ramponierte Holztür. Mrs. Ennis öffnete, noch bevor D.D. ihre Hand gesenkt hatte. Die Dame hatte offenbar gleich hinter der Tür auf sie gewartet.
Sie führte sie in ein kleines, aufgeräumtes Einzimmerapartment mit einer Kochnische auf der linken Seite, einem Küchentisch rechts und einem Schlafsofa an der Rückwand. Der Fernseher lief. Er stand auf einem billigen Regal, in dem auch die Mikrowelle untergebracht war. Mrs. Ennis schaltete ihn aus und fragte höflich, ob sie den Herrschaften Tee anbieten könne.
D.D. und Bobby nahmen das Angebot dankend an, worauf Mrs. Ennis eine Kanne Wasser aufsetzte und ein Paket Kekse aus dem Schrank holte.
Sie war, wie vermutet, Ende sechzig, Anfang siebzig. Kurz geschnittene graue Haare. Der kleine, etwas bucklige Körper steckte in einem blauen Trainingsanzug. Die knotigen Hände zitterten ein wenig, als sie die Teedose öffnete, doch insgesamt bewegte sie sich forsch und zielstrebig.
D.D. schaute sich in der kleinen Wohnung um. Es hätte ja sein können, dass Sophie Leoni wundersamerweise auf dem Sofa saß und lächelnd ihre Zahnlücke zeigte oder vielleicht mit Quietschenten im Bad spielte oder sich im Kleiderschrank vor ihren prügelwütigen Eltern versteckte.
«Setzen Sie sich doch bitte, Detective», sagte Mrs. Ennis. «Nein, die Kleine ist nicht hier bei mir. Ich hätte doch nie im Leben der armen Mutter Grund zur Sorge gegeben.»
In Verlegenheit gebracht, zog D.D. ihren schweren Wintermantel aus und nahm Platz. Bobby ließ es sich bereits schmecken. D.D. musterte die Kekse. Weil ihr Magen ruhig blieb, bediente sie sich. Leichte Kost wie Cracker und trockene Cornflakes hatte sie bislang gut vertragen. Sie probierte einen Keks und glaubte hoffen zu dürfen, dass sie ihn bei sich behielt, denn sie hatte tatsächlich einen Bärenhunger.
«Wie lange kennen Sie Tessa Leoni?», fragte D.D.
Mrs. Ennis hatte sich gesetzt und hielt ihre Teetasse mit beiden Händen. Ihre geröteten Augen ließen darauf schließen, dass sie geweint hatte. Aber jetzt schien sie gefasst zu sein. Bereit zu reden.
«Kennengelernt haben wir uns vor sieben Jahren, als sie in das Apartment 2D auf der anderen Seite des Flures eingezogen ist. Sie hat da auch noch nach Sophies Geburt gewohnt, obwohl es so klein ist wie meins.»
«Sie kannten sie schon vor Sophies Geburt?», fragte D.D.
«Ja. Sie war im dritten oder vierten Monat schwanger, als sie meine Nachbarin wurde. Eine kleine Person mit einem kleinen Bäuchlein. Ich hörte Gepolter im Flur und ging nach draußen. Tessa hatte einen Karton voller Töpfe und Pfannen die Treppe hochgetragen, der dann auseinanderging. Sie wollte sich nicht helfen lassen, aber ich habe es trotzdem getan, und so lernten wir uns kennen.»
«Sie haben sich angefreundet?»
«Ich lud sie öfter zum Essen ein, und sie half mir mit den Einkäufen. Zwei einsame Frauen in diesem Mietshaus. Ein bisschen Gesellschaft tat uns beiden gut.»
«Und zu diesem Zeitpunkt war sie
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