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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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schwer. D.D. ließ einen Schwall Luft ab. Bobby fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare. D.D. strich ein paar blonde Locken hinter die Ohren.
    «Wir müssen mit Brian Darbys Chef reden», sagte Bobby eine Schweigeminute später. «Wir müssen eine Liste aufstellen von allen Freunden und Bekannten, die wissen könnten, was vorgefallen ist.»
    D.D. schaute auf ihre Uhr. Es war zehn. Phil hatte mit Scott Hale ein Telefongespräch für elf Uhr verabredet. «Uns bleibt noch eine Stunde.»
    «Okay. Nutzen wir die Zeit, um Brians Fitnessstudio ausfindig zu machen. Vielleicht hat er einen Personal Trainer gehabt. Der ist für manche so was wie ein Beichtvater. Ein Geständnis wäre jetzt nicht schlecht.»
    «Dann schlag mal das Branchenverzeichnis unter Fitnessstudios auf und häng dich ans Telefon», sagte D.D. Bobby musterte sie mit kritischem Blick. «Und was machst du?»
    «Ich versuche, Juliana Howe zu lokalisieren.»
    «D.D. –»
    «Teile und herrsche», unterbrach sie schroff. «So kommen wir schneller voran.»
    «Du bist ein Kracher, echt.»
    «Das hat dir mal gefallen.»
    D.D. steuerte auf ihren Wagen zu. Bobby folgte ihr nicht.

[zur Inhaltsübersicht]
    16. Kapitel
    Brian und ich hatten unseren ersten großen Streit vier Monate nach der Trauung. In der zweiten Aprilwoche. Über Neuengland war völlig unerwartet ein Schneesturm hereingebrochen. Ich hatte Nachtdienst. Gegen sieben herrschte Chaos auf dem Mass Pike – zahllose Kollisionen, im Stich gelassene Fahrzeuge und Fußgänger in Panik. Wir steckten bis zum Kragen drin und mussten noch eine Schicht dranhängen, um unsere Ablösung zu verstärken. Wenn der Nordostwind weht, hat unsereins nichts zu lachen.
    Gegen elf – ich hätte normalerweise schon vor vier Stunden meine Schicht beendet – schaffte ich es endlich, zu Hause anzurufen. Dass niemand ranging, irritierte mich nicht weiter. Ich dachte, Brian und Sophie wären vielleicht draußen spielen. Vielleicht fuhren sie Schlitten, bauten einen Schneemann oder buddelten die großen violetten Krokusse unterm Schnee frei.
    Gegen eins hatten wir halbwegs für Ordnung gesorgt, drei Dutzend Fahrzeuge wieder flottgemacht und für die meisten auch die dazugehörigen Fahrer zurückgeholt. Endlich konnten Schneepflüge und Streudienste zum Einsatz gebracht werden, um den Pike wieder befahrbar zu machen, was unseren Job erleichterte.
    Zurück im Streifenwagen gönnte ich mir einen Schluck kalten Kaffee und warf einen Blick auf mein Handy, das an meinem Gürtel hing und mehrere Male vibriert hatte. Ich ging gerade die lange Liste der Anrufversuche von Mrs. Ennis durch, als mein Pager an der Schulter piepte. Die Einsatzzentrale verlangte nach mir. Bei ihr war ein Notruf eingegangen, den sie nun an mich weiterzuleiten versuchte.
    Mein Puls verdoppelte sich von jetzt auf gleich. Spontan griff ich mit beiden Händen ans Lenkrad, um mich irgendwo festzuhalten, als ich Mrs. Ennis’ Stimme über Funk hörte. Sie war schrecklich aufgebracht und sagte, sie warte nun schon seit über fünf Stunden. Wo Sophie sei, wollte sie wissen, wo Brian.
    Ich verstand nicht sofort, aber dann stellte sich heraus: Brian hatte Mrs. Ennis um sechs in der Früh angerufen und darum gebeten, auf Sophie aufzupassen. Der Hort sei wegen der Schneefälle geschlossen, und er wolle mit den Skiern raus.
    Mrs. Ennis erklärte sich bereit, gab aber zu bedenken, dass sie mindestens eine oder zwei Stunden brauchen würde, um zu unserem Haus zu gelangen. Brian meinte, die Straßenverhältnisse würden sich stündlich verschlechtern, und schlug vor, Sophie bei ihr abzusetzen und dann weiter in die Berge zu fahren. Mrs. Ennis war einverstanden und froh, sich nicht in den Bus setzen zu müssen. Brian versprach, spätestens um acht bei ihr zu sein. Also wartete sie mit dem Frühstück auf Sophie.
    Aber inzwischen sei es halb zwei, und die beiden hätten sich immer noch nicht blicken lassen. Zu Hause würde niemand den Hörer abnehmen. Was wohl geschehen sein könne?
    Ich wusste es nicht. Konnte es nicht wissen. Und ich weigerte mich, mir die möglichen Antworten auszumalen, die sich als erste aufdrängten – die Vorstellung, wie sich ein kleiner Körper, aus einem Fahrzeug geschleudert, um einen Telegraphenmast wickelte oder wie das Lenkrad eines Autos, das noch keine Airbags hatte, die Brust des Fahrers eindrückte, der dann reglos auf seinem Sitz hockte, scheinbar schlafend für den, der ihn sah, bis einem das Blutgerinnsel im Mundwinkel auffiel.

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