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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Wand und stellte den Rucksack ab, warf die Schlüssel auf den Küchentisch und setzte sich, um seine Stiefel auszuziehen. In diesem Moment sah er mich. Als Erstes schien er zu bemerken, dass ich Uniform trug, denn er blickte unwillkürlich von mir zur Wanduhr.
    «Schon so spät? Mist, tut mir leid. Hab wohl die Zeit aus den Augen verloren.»
    Ich starrte ihn an, die Hände in die Hüften gestemmt – Inbegriff der nörgelnden Hausfrau. Egal.
    «Wo. Warst. Du.»
    Die Worte kamen gestoßen und hart. Brian blickte auf. Seine Überraschung war nicht gespielt. «Ich war Ski fahren. Hat dir Sarah das nicht gesagt? Das Mädchen von nebenan? Sie hat doch Sophie zurückgebracht, oder?»
    «Das fragst du?»
    Er zögerte, war jetzt richtig verunsichert. «Ist Sophie etwa nicht zu Hause?»
    «Doch.»
    «Sarah hat hoffentlich gut auf sie aufgepasst? Sophie ist doch okay, oder?»
    «Sieht ganz danach aus.»
    Brian nickte und schien nachzudenken. «Und warum … warum bist du dann so genervt?»
    «Mrs. Ennis –», hob ich an.
    «Scheiße!», platzte es aus ihm heraus. Er sprang auf. «Ich wollte sie doch anrufen. Während der Fahrt. Aber die Straßen waren so schlecht, dass ich beide Hände am Steuer halten musste, und als ich dann auf der Autobahn war, wo es besser voranging … Mensch …» Er stöhnte und ließ sich auf den Stuhl zurückfallen. «Tut mir echt leid.»
    «Du hast mein Kind einem fremden Mädchen überlassen! Um deinen Spaß zu haben, obwohl ich dich hier im Haus brauchte. Und nebenbei versetzt du auch noch eine liebe alte Dame in Panik, die in der nächsten Woche wahrscheinlich die doppelte Dosis ihrer Herzmedizin schlucken muss!»
    «Ja», murmelte mein Mann. «Ich hab’s vermasselt. Ich hätte sie anrufen müssen.»
    «Wie konntest du nur?», hörte ich mich brüllen.
    Er schnürte seine Stiefel auf. «Ich habe nicht mehr daran gedacht. Ich wollte Sophie bei Mrs. Ennis absetzen, sah aber dann Sarah von nebenan auf der Straße –»
    «Ein fremdes Mädchen, und dem hast du Sophie anvertraut.»
    «Ja, ja. Es war fast acht, und ich dachte, du wärst bald wieder zu Hause.»
    «Ich habe bis kurz nach eins gearbeitet und hätte eigentlich noch ein paar Stunden dranhängen müssen, bin aber dann Hals über Kopf zurück, weil sich Mrs. Ennis in der Einsatzzentrale gemeldet hat.»
    Brian wurde bleich und ließ von seinen Stiefeln ab. «Oh.»
    «Es ist mir ernst!»
    «Okay, okay. Ja. Natürlich. Dass ich sie nicht angerufen habe, war Mist. Tut mir leid, Tessa. Ich werde mich gleich morgen entschuldigen.»
    «Du kannst dir nicht vorstellen, wie verängstigt sie war», setzte ich nach.
    Er schwieg.
    «Hast du schon mal den Schädel eines Säuglings in den Händen gehalten, Brian?»
    Er schwieg.
    «Es ist, als würde man Rosenblätter wiegen. Die noch nicht zusammengewachsenen Knochenplatten sind so dünn, dass man fast hindurchsehen kann, so leicht, dass man glaubt, sie könnten wegfliegen, wenn man draufpustet. Solche Dinge vergisst man nicht, Brian.» Ich schwieg einen Moment und sagte dann kühl: «Ich lasse es nicht zu, dass du mein Kind bei Fremden parkst, damit du deinen Spaß haben kannst. Entweder du kümmerst dich um Sophie, oder wir sind getrennte Leute. Hast du mich verstanden?»
    «Verstanden», antwortete er ruhig. «Ist mit Sophie alles in Ordnung?»
    «Ja –»
    «Ist sie gern mit Sarah zusammen?»
    «Scheint so.»
    «Und du hast Mrs. Ennis angerufen?»
    «Natürlich.»
    «Dann ist doch alles gutgegangen.» Er widmete sich wieder seinen Stiefeln.
    Ich stürmte auf ihn zu. «Du hast mich geheiratet», schrie ich ihn an. «Du hast dich für mich und Sophie entschieden. Wie bringst du es fertig, uns so im Stich zu lassen?»
    «Ich habe es versäumt anzurufen, Tessa. Es soll nicht wieder vorkommen.»
    «Ich habe dich und Sophie schon tot im Straßengraben gesehen.»
    «Dann freu dich doch, dass wir noch leben.»
    «Brian!»
    «Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht.» Er warf beide Hände in die Höhe. «Es ist doch alles neu für mich, neu, eine Frau und eine Tochter zu haben, und dass ich euch beide von Herzen liebe, schließt nicht aus, dass ich auch manchmal Fehler mache. Um Himmels willen, Tessa … ich muss bald wieder aufs Schiff und wollte nur ein bisschen Spaß haben. Die Gelegenheit nutzen, ein bisschen Ski zu fahren …» Er atmete tief ein und aus. Stand auf.
    «Tessa», sagte er ruhig. «Ich würde dir und Sophie nie weh tun wollen. Ich liebe euch. Und ich verspreche, es soll nicht

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