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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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wieder vorkommen. Du glaubst mir doch, oder? In einer Familie zu leben ist für uns beide neu, und es läuft nicht immer glatt. Aber bitte, hab ein wenig Vertrauen.»
    Ich ließ die Schultern hängen. Meine Wut legte sich, sodass ich endlich erleichtert darüber sein konnte, dass meine Tochter und mein Mann in Sicherheit waren.
    Brian zog mich an seine Brust. Ich ließ mich von ihm umarmen, schlang sogar selbst meine Arme um seine Taille.
    «Nimm dich in Acht, Brian», flüsterte ich auf seine Schulter. «Denk daran, ich bin anders als andere Frauen.»
    Er widersprach mir nicht.

    Ich erinnerte mich an diesen und an andere Momente meiner Ehe, als die Krankenschwester von mir abrückte und mich aufforderte, ein paar erste Schritte zu gehen. Gegen sechs hatte ich eine Scheibe Toast gegessen und bei mir behalten. Um halb sieben hatte man mich in den Stuhl neben dem Bett gesetzt, um zu sehen, ob ich mich aufrecht halten konnte.
    Während der ersten paar Minuten waren die Kopfschmerzen kaum zu ertragen gewesen, aber sie ließen dann ein wenig nach. Die eine Gesichtshälfte war immer noch geschwollen, ich fühlte mich wacklig auf den Beinen, aber insgesamt hatte ich mich während der vergangenen zwölf Stunden einigermaßen erholt. Ich konnte stehen, sitzen und essen. Welt da draußen, sieh dich vor!
    Ich stellte mir vor, aus dem Krankenhaus zu rennen, auf Sophie zu, die, wie durch ein Wunder herbeigezaubert, draußen auf mich wartete. Ich stellte mir vor, sie in die Arme zu nehmen und mich mit ihr im Kreis zu drehen. Mommy , würde sie glücklich rufen. Ich würde sie herzen und küssen, ihr sagen, wie leid mir alles täte, und sie nie mehr loslassen.
    «Prima», sagte die Krankenschwester. «Das klappt ja schon ganz gut.»
    Sie reichte mir ihren Arm, damit ich mich darauf stützen konnte. Meine Knie zitterten, und ich war dankbar für ihre Hilfe.
    Die ersten schlurfenden Schritte machten mich schwindlig. Ich schüttelte den Kopf, um den Schwindel zu vertreiben. Es funktionierte.
    Langsam rückte ich auf dem grauen Linoleumsbelag weiter vor, setzte tapsend einen Fuß vor den anderen in Richtung Badezimmer. Dort angekommen, machte ich die Tür leise hinter mir zu. Die Krankenschwester hatte ein paar Sachen für mich zurechtgelegt. Zweiter Test an diesem Tag: sehen, ob ich selbständig pinkeln und duschen konnte. Danach stand mir eine weitere Untersuchung bevor.
    Vielleicht würde man mich dann nach Hause entlassen. Aber nur vielleicht.
    Sophie. In ihrem Zimmer auf dem Boden hockend, umgeben von gemalten Häschen und hellorangen Blumen, im Spiel mit ihrer struppigen Lieblingspuppe. Mommy, da bist du ja wieder! Mommy, ich liebe dich!
    Ich stand am Waschbecken und starrte auf mein Spiegelbild.
    Das eine Auge war dunkelviolett wie eine Aubergine und so geschwollen, dass die Nasenwurzel und der Brauenwulst als solche nicht zu erkennen waren. Ich dachte an die Szene eines frühen Rocky-Films, wo dem Helden die Schwellung mit einer Rasierklinge aufgeschnitten wird, damit er wieder sehen kann. Ob auch mir damit geholfen wäre?
    Ich fuhr mit den Fingern über das Auge und bis zur Platzwunde darüber, die bis zum Haaransatz reichte und inzwischen verkrustet war. Dann griff ich mir an den Hinterkopf und betastete die Beule, die sich immer noch nicht zurückgebildet hatte. Sie fühlte sich heiß und prall an. Schließlich senkte ich den Arm wieder und hielt mich am Waschbeckenrand fest.
    Sieben Uhr. Montagmorgen.
    In einer Stunde würde mit der Obduktion begonnen werden, mit einem Y-Schnitt in die Brust meines Mannes, durch die Rippen hindurch. Man würde drei Kugeln, neun Millimeter, herausfischen, abgefeuert von der Sig Sauer, die meine Fingerabdrücke trug. Mit einer kreischenden Säge würde ihm dann der Schädel geöffnet werden.
    Sieben Uhr. Montagmorgen …
    Ich dachte an all die Augenblicke, die ich gern noch mal durchleben würde. An Orte, wo ich ja, an Zeitpunkte an denen ich nein hätte sagen sollen. Brian wäre noch am Leben, vielleicht gerade dabei, seine Skier für ein neues Abenteuer zu wachsen. Und Sophie spielte in ihrem Zimmer, mit Gertrude an ihrer Seite, auf mich wartend.
    Sieben Uhr. Montagmorgen …
    «D.D., Bobby, beeilt euch», murmelte ich. «Meine Tochter braucht euch.»

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    17. Kapitel
    Dank der wundervollen Erfindung von Google Maps hatte Bobby das Fitnessstudio von Brian Darby schon im zweiten Anlauf gefunden. Er hatte Darbys Adresse einfach in sein Smartphone eingegeben und nach

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