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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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und die andere in die Hüfte gestemmt hatte. Außerdem bemerkte ich, dass sie bleich war und dunkle Ringe unter den Augen hatte. Anscheinend verdankte sie mir eine schlaflose Nacht. Eins zu null für mich.
    Ich betrachtete sie mit meinem heilen Auge und bot ihr die Stirn samt der geschwollenen, dunkelviolett verfärbten Gesichtshälfte, damit sie sich ein Urteil machen konnte.
    «Kennen Sie eigentlich den Gerichtsmediziner?», fragte sie jetzt und schlug wieder einen beiläufigeren Ton an. Sie blieb vor mir stehen. Auf der Bettkante sitzend, musste ich zu ihr aufblicken.
    Ich sagte nichts.
    «Ein tüchtiger Mann, unser Ben. Einer der besten, den wir je hatten», fuhr sie fort. «Einem anderen wär’s wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Aber Ben ist detailversessen. Der menschliche Körper lässt sich wie jedes Stück Fleisch einfrieren und wieder auftauen. Doch dabei verändert sich seine – wie sagte er noch? – Konsistenz. Das Fleisch an den Extremitäten Ihres Mannes kam ihm merkwürdig vor. Also hat er ein paar Proben genommen und unters Mikroskop gelegt. Ich habe von Pathologie zwar keine Ahnung, aber immerhin verstanden, dass diese Proben im Zellgewebe Schäden aufweisen, die von tiefen Temperaturen herrühren. Sie haben Ihren Mann erschossen, Tessa. Und dann auf Eis gelegt.»
    Ich sagte nichts.
    D.D. rückte noch näher. «Wie darf ich mir das erklären? Wollten Sie Zeit gewinnen? Hatten Sie noch Dringendes zu erledigen? Zum Beispiel Sophie wegschaffen? Was haben Sie getan, als die tiefgefrorene Leiche Ihres Mannes im Keller lag?»
    Ich schwieg und lauschte dem Ohrwurm in meinem Kopf. All I want for Christmas is my two front teeth …
    «Wo ist sie?», flüsterte D.D., als hätte sie meine Gedanken gelesen. «Tessa, wo halten Sie Ihre Tochter versteckt?»
    «Wann ist es so weit? Ich meine Ihre Niederkunft», sagte ich. Wie von einem Schlag getroffen, zuckte D.D. zurück, während Bobby, vier Schritte entfernt, hörbar nach Luft schnappte.
    Offenbar hatte er keine Ahnung. Oder aber er wusste Bescheid und wollte es wie so viele Männer nicht wahrhaben. Interessant, dachte ich.
    «Ist er der Vater?», fragte ich.
    «Halten Sie den Mund», herrschte sie mich an.
    Ich erinnerte mich. «Nein», sagte ich, den Blick auf Bobby gerichtet und ohne sie zu beachten. «Sie sind ja verheiratet, schon seit einigen Jahren, mit einer Frau von der psychiatrischen Klinik. Und Sie haben inzwischen eine Tochter, stimmt’s? Noch gar nicht so lange. Ich habe davon gehört.»
    Er starrte mich aus seinen kalten grauen Augen an, ohne ein Wort zu sagen. Glaubte er etwa, ich wollte seine Familie bedrohen? Hatte ich tatsächlich eine solche Absicht?
    Vielleicht wollte ich einfach nur Konversation betreiben, denn sonst hätte ich mich womöglich noch verplappert. Und zum Beispiel zugegeben, Schnee verwendet zu haben, weil ich den ja einfach nur durchs Kellerfenster schaufeln musste. Dass ich meine liebe Mühe hatte, seine ungeahnt schwere Leiche inklusive der zwanzig Kilo zusätzlicher Muskelmasse die Kellertreppe hinunterzuschaffen in seine pedantisch aufgeräumte Garage, wo jedes Werkzeug an seinem Platz lag.
    Heulend und mit zitternden Händen hatte ich meinen Mann mit Schnee überhäuft, Schaufel um Schaufel. Insgesamt waren es dreiundzwanzig. Ich hatte mitgezählt, um konzentriert zu bleiben.
    Dreiundzwanzig Schaufeln Schnee, um einen erwachsenen Mann zu begraben.
    Ich hatte Brian gewarnt. Ich hatte ihm von Anfang an gesagt, was er von einer Frau wie mir zu erwarten hat. Dass ich eine Frau bin, die zu viel weiß, als dass man sie ungestraft zum Narren hält.
    Drei Tampons in die Einschusslöcher. Dreiundzwanzig Schaufeln Schnee, um die Leiche zu verbergen.
    Ich liebe dich noch mehr, waren seine letzten Worte gewesen.
    Dummes, bedauernswertes Miststück.
    Ich sagte kein Wort mehr. Auch D.D. und Bobby schwiegen, an die zehn bis fünfzehn Minuten lang. Drei Vertreter der Strafverfolgung, die einander nicht in die Augen schauten. Schließlich flog die Tür auf. Ken Cargill kam mit fliegendem schwarzem Wollmantel ins Zimmer gestürmt, die schütteren braunen Haare zerstrubbelt. Er sah die Handschellen an meinen Handgelenken und richtete die geballte Wut eines guten Strafverteidigers auf D.D.
    «Was soll das!», brüllte er.
    «Wir mussten Ihre Mandantin festnehmen. Ihr wird vorgeworfen, ihren Ehemann Brian Anthony Darby getötet zu haben. Wir warten nur noch auf den Transport ins Gericht.»
    «Wie lautet die Anklage?», verlangte

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