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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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er habe auch andere Mädchen genötigt.»
    «Was glauben Sie?»
    Juliana zuckte mit den Achseln. «Er war mein Bruder», flüsterte sie. «Um ehrlich zu sein, möchte ich daran eigentlich nicht mehr erinnert werden.»
    «Haben Sie Ihrer Freundin abgenommen, dass sie sich nur zu schützen versuchte?»
    «Ich weiß nicht.»
    «Hatte sie irgendwann einmal Interesse an Tommy gezeigt? Sich nach ihm erkundigt oder ihm vielleicht sogar schöne Augen gemacht?»
    Juliana schüttelte den Kopf, ohne D.D. anzusehen.
    «Aber Sie haben sich danach nicht mehr getroffen, nicht wahr? Sie haben sich von ihr losgesagt, so wie ihr Vater.»
    Juliana errötete. Sie drückte den Säugling so fest an sich, dass er zu wimmern anfing.
    «Mit Tommy stimmte irgendetwas nicht», meinte sie plötzlich.
    D.D. wartete.
    «Meinen Eltern ist das nicht aufgefallen. Er war … gemein. Wenn er etwas wollte, dann nahm er’s sich. Schon als wir noch klein waren. Hatte ich ein Spielzeug, wollte er es haben.» Sie zuckte wieder mit den Achseln. «Er hätte lieber alles kaputt gemacht, als mir was zu überlassen. Mein Vater sagte immer, so seien Jungen halt. Also ließ ich ihn gewähren und akzeptierte, dass Tommy sich immer durchsetzen musste.»
    «Glauben Sie, dass er über Tessa hergefallen ist?»
    «Ich war jedenfalls nicht überrascht, von Detective Walthers zu erfahren, dass sich andere Mädchen gemeldet hätten, denen angeblich Ähnliches passiert war. Meine Eltern waren entsetzt. Mein Vater … er kann’s immer noch nicht glauben. Ich schon. Tommy hat sich genommen, was er wollte, auch gegen Widerstand.»
    «Haben Sie Tessa gesagt, wie Sie über die Sache denken?»
    «Wir haben seit zehn Jahren kein Wort miteinander gewechselt.»
    «Warum nicht?»
    «Deswegen.» Wieder dieses Schulterzucken. «Tommy war nicht nur mein Bruder, er war auch der Sohn meiner Eltern. Und als er starb … Für seine Beerdigung haben sie all ihr Erspartes ausgegeben. Als mein Vater nicht mehr arbeiten konnte, verloren wir unser Haus. Meine Eltern waren pleite. Dann ging auch die Ehe zu Bruch. Meine Mutter ist mit mir zur Tante gezogen. Mein Vater hatte einen Nervenzusammenbruch. Er lebt jetzt in einem Heim und blättert Tag für Tag in alten Alben. Er kommt nicht darüber hinweg und verachtet die Welt, in der, wie er sich ausdrückt, Kinder getötet werden und die Polizei nichts dagegen unternimmt.»
    Juliana streichelte ihrem Jungen die Wange. «Komisch», murmelte sie, «ich dachte immer, meine Familie sei perfekt. Tessa fand das auch – im Unterschied zu ihrer Familie. Und auf einen Schlag war alles anders. Meine Eltern verloren ihren Sohn und ich meinen Bruder.»
    «Hat Tessa versucht, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen?»
    «Die letzten Worte, die ich ihr gesagt habe, waren: ‹Du musst jetzt nach Hause gehen.› Und das tat sie auch. Sie nahm ihre Waffe und rannte davon.»
    «Haben Sie sie auch draußen auf der Straße nicht mehr gesehen?»
    «Ihr Vater hat sie doch davongejagt. In unserer Gegend ließ sie sich nicht mehr blicken.»
    «Haben Sie sich keine Gedanken um sie gemacht? Sich nie gefragt, was aus der besten Freundin geworden ist, die sich Ihrem Bruder zur Wehr setzen musste? Sie hatten sie doch damals eingeladen, bei Ihnen zu übernachten. Tessa hat in ihrer ersten Vernehmung zu Protokoll gegeben, Sie gefragt zu haben, ob Tommy zu Hause sei.»
    «Daran erinnere ich mich nicht.»
    «Haben Sie Ihrem Bruder gesagt, dass Tessa bei Ihnen übernachtet?»
    Juliana verzog das Gesicht. Sie setzte das Kind auf dem Boden ab und stand auf. «Sie sollten jetzt gehen, Detective. Tessa und ich haben seit zehn Jahren kein Wort mehr gewechselt. Ich wusste bis vorhin nicht, dass sie eine Tochter hat, und weiß nicht, wo sie wohnt.»
    D.D. rührte sich nicht vom Fleck. Sie blieb auf dem Sofa sitzen und musterte Tessas ehemals beste Freundin.
    «Warum haben Sie Tessa damals im Wohnzimmer allein zurückgelassen?», fragte sie. «Geplant war doch so was wie eine Pyjamaparty, oder? Warum haben Sie Ihre beste Freundin nicht mit auf Ihr Zimmer genommen? Raus mit der Sprache, was hat Tommy von Ihnen verlangt?»
    «Hören Sie auf damit!»
    «Sie hatten einen Verdacht, stimmt’s? Sie wussten, was er vorhatte. Deshalb sind Sie später in der Nacht nach unten gegangen. Sie fürchteten Ihren Bruder und hatten Angst um Ihre Freundin. Haben Sie sie gewarnt, Juliana? Hat Tessa deshalb eine Waffe mitgebracht?»
    «Nein!»
    «Sie wussten, dass Ihr Vater nichts unternehmen würde. ‹So sind

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