Wer stirbt, entscheidest du
Anklageschrift vorlegen, ihr Anwalt dagegen auf «nicht schuldig» plädieren und beantragen, sie auf Kaution freizulassen. Solange darüber verhandelt wurde, blieb Tessa in Haft. Da der Staatsanwalt wahrscheinlich Fluchtgefahr unterstellen und sich gegen eine Freilassung auf Kaution aussprechen würde, war davon auszugehen, dass Tessa, noch während die Taskforce um D.D. miteinander beriet, in das Frauengefängnis von Suffolk County überführt werden würde.
Doch damit beantwortete sich keine ihrer Fragen.
«Mit ihrer ersten Aussage hat Tessa uns in die Irre zu führen versucht», sagte D.D., die, kaum dass sie in die Zentrale zurückgekehrt war, die Mitglieder der Sonderkommissionen zusammengetrommelt hatte. «Wir sollten annehmen, dass sie am Sonntagmorgen von ihrem Mann verprügelt wurde und in Notwehr auf ihn geschossen hat. Laut Auskunft der Gerichtsmedizin lag jedoch Brian Darbys Leiche vor diesem Zeitpunkt auf Eis. Tessa ließ ihn dann auftauen , um ihre Nummer vor uns abziehen zu können.»
«Lässt sich feststellen, wie lange er eingefroren war?», fragte Phil aus der vordersten Reihe.
D.D. ließ Neil, ihren dritten Teamgefährten, antworten, da er bei der Obduktion anwesend gewesen war.
«Aller Wahrscheinlichkeit nach weniger als vierundzwanzig Stunden», meinte der aus dem Pulk heraus. «Ben sagt, die für Frostbrand typischen Gewebeschäden seien nur an den Extremitäten, nicht aber an den inneren Organen festzustellen. Das heißt, die Leiche lag auf Eis, allerdings nicht lange genug, um durch und durch zu gefrieren. Von den Schäden betroffen sind nur Finger und Zehen, das Gesicht sowie die oberen Gewebeschichten von Armen und Beinen. Ben schätzt, dass die Leiche zwischen zwölf und vierundzwanzig Stunden tiefgekühlt wurde. Genauer lässt sich das nicht bestimmen, weil wir nicht wissen, wie hoch die Umgebungstemperatur war. Zu berücksichtigen ist auch, dass es einige Stunden gedauert haben dürfte, bis die Leiche wieder Zimmertemperatur angenommen hat. Ben vermutet, Brian Darby wurde Freitagnacht oder Samstagmorgen getötet.»
«Nun denn», sagte D.D., um wieder auf sich aufmerksam zu machen. «Wir müssen jetzt alle Nachbarn, Freunde und Angehörigen noch einmal befragen. Wann wurde Brian Darby das letzte Mal lebend gesehen?»
«Freitagabend hat er noch per Handy telefoniert», sagte Detective Jake Owens. «Das geht aus den Anruflisten hervor.»
«Ein längeres Gespräch?»
«Knapp neun Minuten. Ich werde feststellen lassen, an wen der Anruf ging, und dem Empfänger einen Besuch abstatten.»
«Vergewissere dich auch, ob es tatsächlich Brian gewesen ist, der angerufen hat», sagte D.D., «und nicht Tessa, die ja wahrscheinlich Zugriff auf sein Handy hatte.»
«Ich kapier das nicht.» Phil hatte die meisten Hintergrundrecherchen durchgeführt und kannte die Verhältnisse besser als jeder andere im Team. «Wir gehen davon aus, dass Tessa ihren Mann erschossen und seine Leiche auf Eis gelegt hat, um uns weiszumachen, dass er erst am Sonntagmorgen gestorben ist. Warum das Ganze?»
D.D. zuckte mit den Achseln. «Interessante Frage, aber von ihr werden wir die Antwort wohl nicht erfahren.»
«Liegt doch auf der Hand», meinte Bobby, der an der Stirnwand lehnte. «Um Zeit zu gewinnen.»
«Wofür?», fragte Phil.
«Wahrscheinlich, um ihre Tochter aus dem Weg schaffen zu können.»
Es wurde kurz still im Raum. D.D. gab Bobby mit ihrem Blick zu verstehen, dass ihr seine Vermutung gegen den Strich ging. Sei’s drum. Auch ihm hatte es nicht gefallen, von einer Verdächtigen in einer Mordsache zu erfahren, dass seine Kollegin schwanger war. Mehr noch, er war stinksauer deswegen.
«Du glaubst, sie hat ihrer Tochter was angetan?», fragte Phil, der vier Kinder zu Hause hatte.
«Ein Nachbar hat am Samstagnachmittag Brians Denali wegfahren sehen», sagte Bobby. «Wir dachten, Brian habe am Steuer gesessen, und weil die Spurensicherung nachweisen konnte, dass eine Leiche im Heck gelegen hat, sind wir davon ausgegangen, dass Brian seine Stieftochter getötet und weggeschafft hat. Jetzt scheint es so, als sei Brian Darby Samstagnachmittag schon tot gewesen. Wenn das zutrifft, kann er die Leiche nicht transportiert haben.»
D.D. presste die Lippen aufeinander und nickte. «Ich fürchte, Tessa Leoni hat beide umgebracht, ihren Mann und ihre Tochter, entweder Freitagabend vor Dienstbeginn oder Samstagmorgen nach ihrer Rückkehr. Während Brian in der Kellergarage auf Eis lag, wurde Sophies Leiche
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