Wer stirbt, entscheidest du
er.
«O Gott!»
«Du hast immer alles geschafft, was du dir vorgenommen hast. Warum sollte sich daran etwas ändern?»
«O Gott!», wiederholte sie mit Panik im Blick.
«Kann ich was für dich tun? Willst du ein Glas Wasser? Saure Gurken? Wie wär’s mit Ingwer-Drops? Annabelle schwört auf Ingwer-Drops. Die beruhigen den Magen.»
«Wirklich?», fragte D.D. neugierig.
Bobby lächelte. Er ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. «Gratuliere», flüsterte er ihr ins Ohr. «Ernsthaft, D.D. Ich freue mich für dich.»
Überrascht und gerührt von seiner Geste, erwiderte sie die Umarmung. «Danke, Bobby.»
Er tätschelte ihre Schulter. Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust. Dann lösten sie sich wieder voneinander, richteten den Blick auf die Tafel und machten sich an die Arbeit.
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21. Kapitel
Ich stand mit gefesselten Händen vor dem Staatsanwalt und ließ mir die Anklageschrift vorlesen. Er warf mir vor, meinen Mann vorsätzlich erschossen zu haben, und äußerte den Verdacht, ich hätte auch meine Tochter umgebracht. Kurzum, er plädierte auf Mord und beantragte, mich in Haft zu nehmen und eine Freilassung auf Kaution wegen der Schwere des Falles auszuschließen.
Cargill, mein Anwalt, protestierte vehement. Ich sei eine rechtschaffene Polizistin im Staatsdienst und hätte mir in all den Jahren (vier?) nichts zuschulden kommen lassen. Es lägen keine hinreichenden Beweise gegen mich vor, und einer so zuverlässigen Beamtin und hingebungsvollen Mutter zu unterstellen, Mann und Tochter getötet zu haben, sei aberwitzig.
Der Staatsanwalt verwies auf die ballistischen Untersuchungen, wonach die Geschosse in der Brust meines Mannes ohne jeden Zweifel aus meiner Dienstwaffe abgefeuert worden seien.
Cargill erinnerte an meine Gesichtsverletzungen und Gehirnerschütterung. Ich sei offenbar zu der Tat genötigt worden.
Der Staatsanwalt meinte, gegen Notwehr spräche der Umstand, dass die Leiche meines Mannes auf Eis gelegt worden sei.
Der Richter staunte nicht schlecht, als er das hörte, und warf mir einen verwunderten Blick zu.
Willkommen in meiner Welt, hätte ich ihm am liebsten zugerufen. Doch ich sagte nichts und ließ mir nichts anmerken, denn jede Regung wäre auf ein und dieselbe Unterstellung hinausgelaufen: Hysterie.
Sophie, Sophie, Sophie.
All I want for Christmas is my two front teeth, my two front teeth, my two front teeth.
Fast hätte ich zu singen angefangen. Aber es wäre wahrscheinlich nur ein Geschrei gewesen, das Geschrei einer Mutter, die die Bettdecke zurückschlägt und das Bett ihrer Tochter leer vorfindet. Ich hatte tatsächlich schreien wollen, war aber nicht dazu gekommen.
Denn unten waren plötzlich Geräusche zu hören gewesen. Sophie, dachte ich und rannte die Treppe hinunter, geradewegs in die Küche. Und dort stand jemand, der meinem Mann eine Pistole an die Schläfe hielt.
«Wen liebst du?», fragte er und stellte mich vor die Wahl. Entweder ich tat, was er von mir verlangte, und meine Tochter wäre gerettet. Oder ich setzte mich zur Wehr und riskierte, meine ganze Familie zu verlieren.
Brian starrte mich an, und sein Blick sagte mir, wie ich mich entscheiden sollte. Er war vielleicht ein elendes Miststück, aber immer noch mein Mann und, wichtiger noch, Sophies Vater. Der Einzige, den sie je Daddy genannt hatte.
Er liebte sie. Bei all seinen Fehlern liebte er uns beide.
Seltsam, dass man manches erst zu schätzen weiß, wenn es zu spät ist.
Ich legte mein Dienstkoppel auf den Küchentisch.
Der Mann riss meine Sig Sauer aus dem Holster und feuerte dreimal auf Brian.
Bumm, bumm, bumm.
Mein Mann starb. Meine Tochter war verschwunden. Und ich, eine ausgebildete Polizistin, hatte einfach nur dagestanden, vom Schock gelähmt und mit einem Schrei im Hals, der darin stecken geblieben war.
Der Hammer fiel.
Der Aufprall brachte mich wieder zur Besinnung. Unwillkürlich schaute ich auf die Uhr. Viertel vor drei. Hatte das überhaupt noch eine Bedeutung? Ich hoffte ja.
«Die Kaution beläuft sich auf eine Million Dollar», erklärte der Richter kurz und bündig.
Der Staatsanwalt lächelte. Cargill verzog das Gesicht.
«Ruhig Blut», murmelte Shane hinter mir. «Es wird alles gut. Ruhig Blut.»
Ich verzichtete darauf, seine hohlen Phrasen mit einer Erwiderung zu adeln. Die Polizeigewerkschaft hatte natürlich Geld, mit dem Mitglieder unterstützt wurden, die einen Anwalt brauchten und für Gerichtskosten aufkommen mussten. Aber eine Million sprengte
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