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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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… aber in Wirklichkeit wächst er auf wie ein wilder Trieb an irgendeinem Busch. Er spricht drei Sprachen: Deutsch, Englisch und Französisch. Aber soll er in drei Sprachen mit den Zwergschweinen, den Ziegen, den Hunden und den Hühnern sprechen? Anne und ich werden uns darüber klarwerden müssen: Pauls Zukunft ist nicht die Insel. Er ist ein begabter Bursche – er gehört hinaus in die Welt.
    »Politik?« sagte Bäcker gedehnt. »Etwas Schlechteres konntest du wohl im Buchladen nicht kaufen, was?«
    »Es liest sich gut.« Paul schob das Schulheft fort. Das Versteckspielen hatte seinen Sinn verloren.
    »Wie heißt denn das Buch?« fragte Bäcker.
    »Die klassenlose Gesellschaft.«
    »Das ist doch ein alter Hut.«
    »Für mich nicht, Vater. Lebt man denn danach?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Warum?«
    »Das ist einfacher gefragt als beantwortet, mein Junge.«
    Bäcker nahm das Buch vom Tisch, blätterte darin herum und erinnerte sich an die Zeit, in der auch er diese Bücher gelesen hatte. Damals war er Student in Kiel und hatte zu seinem Vater gesagt: »Ihr mit eurem Kriegserlebnis, ihr Wirtschaftswundermänner, ihr vom eigenen Erfolg Frustrierten, an euch ist die Entwicklung vorbeigegangen. Ihr sitzt mit fetten Hintern im wieder gepolsterten Sessel und macht auf ›Es ist erreicht.‹ Was wirklich um euch herum passiert, verschlaft ihr!«
    Es hatte damals stundenlange Diskussionen gegeben, und man redete doch aneinander vorbei.
    Jetzt war er selbst Vater eines erwachsen werdenden Sohnes, und dieser Sohn dachte genau dasselbe wie er damals. Und so hilflos wie damals sein Vater war nun auch Werner Bäcker. Es hatte sich nichts geändert … bei den Bäckers nicht, und nicht in der weiten Welt.
    »Wir dürfen Paul nicht in einem Wattebausch großziehen«, hatte er an diesem Abend zu Anne gesagt. »Für uns ist Viktoria-Eiland eine neue, reine Welt, für Paul wird sie zu klein. Wir sollten uns das überlegen.«
    Dreizehn Jahre.
    An diesem Morgen nun, als die Sonne wie eine Flammenkugel aus dem Meer stieg, stand Bäcker am Rande der Böschung und hatte beschlossen, gleich nach dem Frühstück mit Paul über seine Zukunft zu sprechen. Was er und Anne allein an Wissen und Erziehung hatten geben können, hatte sich nun erschöpft. Paul war neunzehn Jahre alt, und Bäcker war bereit, die Welt seines Sohnes nicht mehr auf diese kleine Insel zu beschränken. Für Anne und mich wird sie immer das Paradies bleiben, dachte er. Aber ein junger Mensch wie Paul muß hinaus ins Leben.
    Die Sonne blendete. Bäcker rückte seine dunkle Sonnenbrille näher an die lidlosen Augen und blickte über die See. Im gelben Licht der aufgehenden Sonne sah er plötzlich viele kleine, dunkle Punkte auf dem Wasser. Sie schaukelten in der Dünung wie verstreutes Treibholz und schienen näher zu kommen.
    Bäcker holte sein Fernglas. Dann wurde sein Gesicht sehr ernst, er spreizte die Beine und blickte eine Weile regungslos auf die dunklen Punkte. Im Fernglas erkannte er sie deutlich: eine neben- und hintereinanderfahrende geballte Masse von Kriegskanus und Auslegerbooten.
    Eine Armada aus langen schmalen Einbäumen und Katamaranen, besetzt mit grellbemalten. Papuakriegern, näherte sich Viktoria-Eiland. In den ersten Booten konnte Bäcker deutlich die Häuptlinge und Medizinmänner ausmachen. Ihr riesiger, wallender Federkopfschmuck wurde vom Wind aufgebläht wie das Rad eines Pfaus. Nach einem noch nicht vernehmbaren, anfeuernden Gesang tauchten die Paddel rhythmisch ins Wasser und trieben die schnellen, leichten Boote über die fast unbewegte See.
    Bäcker lief zum Haus zurück und schlug gegen die Schiffsglocke, die neben dem Eingang an einem Balken hing. Anne, in einem Pyjama, und Paul, nackt bis auf ein Handtuch, das er sich um seine Hüften gewickelt hatte, stürzten ins Freie.
    Es war das erstemal in dreizehn Jahren, daß die Glocke nicht an Bäckers, Annes oder Pauls Geburtstag ertönte, sondern alarmierend, Signal einer Gefahr.
    »Wetten, Vater hat einen Hai innerhalb der Riffe gesehen!« rief Paul unter der Tür seiner kleinen Hütte. Er hatte sie im letzten Jahr auf das Doppelte vergrößert, erster Ausdruck seines Dranges zur Selbständigkeit. »Überlaß ihn mir, Vater!«
    Bäcker blickte hinüber zu Anne. Es war ein langer, stummer Blick, und Anne verstand ihn. Sie waren beide in den Jahren so eins geworden, so vollständig eine Seele, ein Gedanke, ein Wesen, wie nur eine unerklärbare Liebe zwei Menschen miteinander verschmelzen

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