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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kann.
    »Sie kommen –«, sagte sie bloß.
    Bäcker nickte. Es blieb nicht mehr viel zu sagen. »Ja, Anne, es ist soweit …«
    Er ging zu Paul und merkte erst jetzt voll Erstaunen, daß er zu seinem Sohn aufblicken mußte. Paul war größer als sein Vater, breiter in den Schultern, ein Mann von neunzehn Jahren, prall gefüllt mit der unbändigen Kraft seiner Jugend.
    »Komm mit, mein Junge«, sagte Bäcker. »Ich will dir etwas zeigen …«
    Sie gingen zum Rand der Böschung, blickten durch das Fernglas und sahen die Flotte der Kriegskanus in breiter Front auf Viktoria-Eiland zukommen.
    »Papuas!« sagte Paul und gab das Glas an seine Mutter weiter. Anne schüttelte den Kopf; sie wollte die heranschwimmende Vernichtung nicht sehen. Sie stand hinter Bäcker, hatte die Arme um ihn gelegt und drückte sich an ihn.
    »In einer Stunde sind sie hier, mein Junge«, sagte Bäcker. »Sie kommen mit der Flut und überschwimmen so die Korallenbänke.« Er hängte das Fernglas um den Hals und spürte, wie Anne an seinem Rücken zitterte. »Seit Jahren warte ich auf diesen Tag. Manchmal habe ich geglaubt, daß sie es still dulden werden. Aber jetzt kommen sie … zweihundert, dreihundert oder noch mehr. Sie haben alle Krieger der umliegenden Atolle zusammengezogen. Es ist ein Kriegszug, den sie zwanzig Jahre vorbereitet haben.«
    Er wandte sich ab, küßte Anne auf die Stirn und legte den Arm um Pauls breite Schulter.
    »Ich muß dir etwas erklären, Paul. Kurz nachdem du geboren wurdest, habe ich mich mit unserem Schiff aufgemacht und alle Inseln besucht, die um Viktoria-Eiland herumliegen. Ich habe mit den Häuptlingen und Medizinmännern gesprochen, so gut es damals ging. Ich habe Geschenke mitgebracht. Bunte Glasperlen, Äxte und Beile, Zangen und Sägen, Spiegel und Stoffe. Und ich habe gesagt: ›Ich weiß, daß ich auf eurer Toteninsel lebe. Aber euer Gott tut mir nichts, und ich werde euren Gott achten, werde eure Toten nicht stören, wir können also friedlich nebeneinander leben.‹ Sie haben mich angehört und geschwiegen, die Geschenke angenommen, mich aus ihren Lagunen hinausbegleitet, und draußen, auf dem offenen Meer, haben die Häuptlinge zu mir gesagt: ›Die Götter werden dich strafen!‹ Und dann haben sie gewartet.«
    Bäcker holte tief Atem. Er sah, wie Paul sehr nachdenklich wurde. Ich habe ihn erzogen in der Achtung vor dem Menschen, dachte er. Ich habe immer zu ihm gesagt: »Töte nie deinesgleichen. Ich komme aus einer Welt, wo gegenseitiges Töten sogar belohnt wird, wo man ein Held genannt wird und Orden dafür erhält. Du sollst das nie kennenlernen! Du sollst jeden Menschen lieben, denn er ist dein Bruder oder deine Schwester.«
    Etwas anderes kannte Paul nicht. Und plötzlich ruderte da eine Flotte Kriegskanus heran, besetzt mit Hunderten nach Tod und Vernichtung lechzenden Menschen. Die er lieben sollte, kamen nun, ihn zu töten. Wer kann das begreifen?
    Bäcker blickte wieder durch das Fernglas. In der Vergrößerung konnte er deutlich die Speere und Schilde unterscheiden, die großen Bogen und die Köcher mit den Giftpfeilen. Die braunschwarzen Körper glänzten in der Morgensonne, ihr rhythmisches Paddeln war von einem faszinierenden Gleichklang.
    »Ich habe um den Totenplatz und seinen Götzen einen hohen Holzzaun gebaut«, begann Bäcker von neuem: »Ich habe damit andeuten wollen: Hier ist die Welt der Toten, dort die Welt von drei Lebenden, die nichts anderes wollen als Frieden und Ruhe. Mein Junge –«, Bäcker zeigte hinüber auf das sich jetzt breit auseinanderziehende Band der Kanus, »sie haben es nicht begreifen wollen. Sie haben bisher vierzehnmal die Holzwand niedergerissen oder angebrannt, und ich habe sie fünfzehnmal wiederaufgebaut. Es war eine ununterbrochene Kraftprobe.«
    Paul legte die Hand über die Augen und begann die Boote zu zählen. »Warum hast du mir nie etwas davon erzählt, Vater?« fragte er dabei.
    »Du solltest keine Angst haben«, sagte Bäcker schlicht.
    »Aber sie haben uns nie angegriffen? Warum?«
    »Sie warteten auf die Rache ihrer Götter. Sie wollten nicht eingreifen in den Kampf zwischen Mensch und Gott. Sie starren jetzt seit zwanzig Jahren auf uns und warten darauf, daß mit uns etwas Schreckliches passiert. Aber nichts ist geschehen … nur die alte Generation der Medizinmänner ist weggestorben, und die neue Generation will nun nicht mehr warten. So stelle ich mir das vor. Ja, und jetzt kommen sie …«
    »Vierundfünfzig Kanus.« Paul schlug die

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