Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
die in sinnlosem Trotz mit Bäcker kein Wort mehr gesprochen hatte, war ans Meer gegangen, um mit einem Speer die dicksten, saftigsten Fische aus den Schwärmen zu stechen.
Bäcker setzte sich auf einen Stamm und beobachtete seinen Sohn. Der schlug kräftig zu. Unter der glatten, bronzefarbenen Haut spannten sich die Muskeln wie dicke Seile. Nach einer Weile stützte er sich auf die Axt.
»Ist etwas, Vater?« fragte er.
Bäcker zuckte zusammen. Er hatte gerade an seine eigene Jugend gedacht, an Lübeck, die Studentenjahre, die ersten Liebschaften.
Bäcker nickte. »Ja, mein Junge. Wie heißt sie?«
Sie sahen sich an, verstanden sich sofort und lachten dann. Es war ein verlegenes, aber doch befreiendes Lachen.
»Woher weißt du das, Vater?« fragte Paul. Er setzte sich neben Bäcker auf einen der gefällten Stämme.
»Ich weiß gar nichts, mein Junge. Ich denke mir nur, daß du mir einiges zu erzählen hast.«
»Sie heißt Tara.« Paul stützte das Kinn auf die lange Axt. Irgendwie schämte er sich, jetzt seinen Vater anzusehen. »Tara Makarou. Und sie ist eine Hure …«
Er wartete auf eine scharfe Antwort, aber Bäcker schwieg, und das war klug. In Pauls Worten hatte eine geheime Drohung mitgeschwungen: Sage nichts gegen Tara. Ich liebe sie. Sie war der erste Mensch, der mir eine andere Seite des Lebens gezeigt hat. Eine erschreckend schöne Seite.
»Und nun?« fragte Bäcker endlich.
»Ich weiß es nicht, Vater.«
»Willst du sie wiedersehen?«
»Nein, Vater.«
»Warum nicht?«
»Sie würde nie auf unserer Insel leben wollen. Sie will nach Papeete, viel Geld verdienen. Sie ist die geborene Hure.«
»Aber es wäre schön, wenn du eine Frau auf der Insel hättest? Eine Frau für dich …?«
»Ich weiß es nicht, Vater.« Paul starrte auf die gefällten Bäume. Es war ein Thema, das er zum erstenmal besprach, worüber er aber viel nachgedacht und wobei ihm bisher niemand geholfen hatte. »Was wird Mutter dazu sagen?« fragte er fast zaghaft.
»Sie wird es verstehen, Paul. Niemand hat mehr Verständnis für die Liebe als eine Frau.«
»Hast du schon mit ihr darüber gesprochen?« Es war wie ein dumpfer Aufschrei. Bäcker nickte.
»Ja, mein Junge.«
Das alte Lied, dachte er. Der Sohn liebt die Mutter, die Mutter liebt den Sohn – es ist die tragische Verstrickung, aus der jeder von uns einmal heraus muß. Paul hat den ersten Schritt getan, und eigentlich war es gut, daß es ausgerechnet eine Dirne war, die ihn vom Rockschoß der Mutter befreite. Ein harter, aber endgültiger Schnitt. Auch Anne wird es noch über sich ergehen lassen müssen.
»Ich schäme mich –«, sagte Paul leise. »Wie kann ich Mutter das erklären?«
»Gar nicht, mein Junge. Das übernehme ich.« Bäcker legte seinen Arm um Pauls breite Schulter. Er fühlte unter seiner Hand die harten Muskelstränge und dachte: Mein Gott, ist der Kerl stark.
»Wir sollten das Problem ganz sachlich besprechen, Paul. Ich werde in den nächsten Tagen zu den anderen Inseln fahren und dir eine Frau suchen. Einverstanden?«
Er sah, wie Paul das Blut ins Gesicht schoß und daß er das Kinn auf den Axtstiel preßte. Es war eine Situation zum Weglaufen. Die geheimsten Sehnsüchte wurden in der Sonne ausgebreitet wie zum Trocknen.
»Du … du kannst doch nicht einfach ein Mädchen hierherholen, Vater«, sagte er gepreßt. »Und welches Mädchen käme schon auf eine Toteninsel?«
»Dann mußt du wieder nach Hiva Oa oder Papeete gehen, Paul.«
»Nein! Ich gehe nicht wieder von hier weg, Vater!« Es klang endgültig. Bäcker ließ das Thema fallen. Worte darüber waren jetzt Verschwendung.
»Wie soll es aussehen?« fragte er statt dessen.
»Wer?«
»Das Mädchen.«
Paul schluckte. »Wie … wie Mutter –«, sagte er dann ganz leise.
»Natürlich.« Bäcker lächelte still. »Sah Tara auch so aus?«
»Nein, ganz anders. Genau das Gegenteil.«
»Es gibt sehr schöne Mädchen in der Südsee, Paul.«
»Unmöglich, Vater.« Paul erhob sich abrupt. »Das Leben geht auch so weiter.«
»Das ist eine Selbsttäuschung, mein Junge.« Bäcker hielt seinen Sohn am Gürtel fest und zog ihn wieder zu sich heran. »Was wäre ich gewesen ohne deine Mutter? Sie ist mein halbes Leben.«
»Meines auch, Vater.«
»Und die andere Hälfte? Nein, Paul, so geht es nicht. Wer den Kopf in den Sand steckt, wölbt den Hintern heraus, und in den tritt man dann hinein. Wir beide sollten dein Problem ganz leidenschaftslos von Mann zu Mann überlegen. Es ist gar kein
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