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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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so großes Problem. Glaube mir: Essen, Trinken und Schlafen gehören zum Leben … und die Liebe auch. Komm, Junge, wir gehen spazieren, beim Gehen redet es sich leichter – man läuft sich die Sorgen locker. Es ist alles viel einfacher, als du denkst.«
    Zum Mittagessen erwartete sie Anne mit düsterer Miene. Sie benahm sich, als stünde sie einer Verschwörung gegenüber, die nur ihr galt. Stumm saßen alle vor ihren Tellern, sahen sich nicht an, und jeder wartete darauf, daß der andere zuerst das befreiende Wort sprach. Schließlich war es Anne, die das Gespräch begann.
    »Paul –«, sagte sie mit spröder Stimme, »findest du nicht auch, daß dein Vater verrückte Einfälle hat?«
    »Nein, Mutter.« Paul schielte hilfesuchend zu Bäcker.
    »Er will dir ein Mädchen auf die Insel holen.«
    »Hast du einen besseren Einfall, Mutter?«
    Anne schwieg betroffen. Es war eine Frage, auf die sie nicht vorbereitet war. Um aus dem Netz herauszukommen, das diese Frage über sie geworfen hatte, ging sie zum Angriff über. »Brauchst du eine Frau?« fragte sie zurück. Darauf wird er nie antworten, dachte sie. Aber sie täuschte sich.
    Paul sagte ganz klar: »Ja, Mutter. Die Liebe ist schön. Das ist eine ganz einfache Formel. Ein Leben ohne Liebe ist umsonst gelebt.«
    »Das plapperst du deinem Vater nach!«
    »Nein!« Bäcker hob sein Glas. Nach dem Essen trank er immer ein Glas Kokosmilch. »Es sind die Worte einer Anne Perkins, gesprochen vor zwanzig Jahren, an einem Abend im August. Ich habe sie nie vergessen …«
    Über den Glasrand sah er Anne an. Sie erwiderte seinen Blick und lächelte plötzlich. »Ich erinnere mich an jedes Wort«, sagte sie leise. »Jedes Wort. – Wann willst du fahren, Werner?«
    »Übermorgen.« Bäcker nickte Paul zu. Sieg, mein Junge.
    Paul lächelte verstohlen zurück. »Es ist ja nur ein Versuch … vielleicht mißlingt er …«
    An diesem Abend lief über das Funkgerät eine offizielle Erklärung des Gouverneurs von Papeete. Sie lautete:
    »Die französische Republik sieht sich nicht mehr in der Lage, ihre Rechte und Pflichten als Schutzmacht der Insel Viktoria-Eiland wahrzunehmen. Die Bewohner von Viktoria-Eiland haben keinerlei Anspruch mehr auf Hilfe und Unterstützung von Seiten der französischen Republik. Die Insel Viktoria-Eiland wird zum Sperrgebiet erklärt.«
    Bäcker stellte das Funkgerät ab. Er reichte Anne die mitgeschriebene Mitteilung hinüber und lehnte sich zufrieden zurück. »Mehr wollte ich ja gar nicht«, sagte er. »Sie glauben, sie könnten uns hier austrocknen. Wir haben es hier zwanzig Jahre ohne ihre Hilfe ausgehalten, und wir werden es auch weiterhin aushalten! Ich brauche keine Schutzmacht! Mein Schutz ergibt sich aus Freundschaft und Menschlichkeit … und die versteht jeder.«
    »Und wenn die Kriegskanus wiederkommen?« fragte Anne verstört.
    »Sie kommen nicht mehr.« Paul legte beide Hände über seinen Malaiendolch. »Nein, fragt mich nicht. Ich habe ein Versprechen gegeben. Aber ich weiß, daß sie uns nicht wieder angreifen werden.« Er wandte sich ab und verließ die Funkkabine der Jacht. Bäcker und Anne sahen ihm verblüfft nach.
    »Der Junge ist drei Nummern aus seinen Schuhen hinausgewachsen, Anne«, sagte Bäcker bedächtig. »Ich glaube, wir werden noch viel mit ihm erleben.«
    Zwei Tage später fuhr Bäcker mit leichtem Gepäck bei Flut über die Korallenriffe aus der Lagune hinaus ins offene Meer. Er hatte am Mast der Jacht eine weiße und eine rote Fahne gehißt und winkte fröhlich zurück. Anne und Paul standen am Strand und schwenkten zwei große Handtücher.
    »Zuerst besuche ich unsere Leichenlieferanten«, hatte Bäcker mit fröhlichem Spott gesagt. »Wenn sie soviel für die Toten tun, können sie jetzt auch den Lebenden einen kleinen Dienst erweisen.«
    Er hatte einen Sack voll Glasperlen, einige Werkzeugkästen, Verbandsstoff, Mullbinden, schmerzstillende Tabletten und Medikamente gegen Tuberkulose mitgenommen. Es waren wertvolle Gastgeschenke. Für sie eine Frau einzutauschen würde leicht sein … Es gab nur eine Schranke: der Durchbruch durch den Geisterglauben, der Viktoria-Eiland zu einer verbotenen Insel gemacht hatte. Aber Bäcker hoffte, auch diesen veralteten Götzenglauben zu überwinden. Er selbst war ja der Beweis, daß die alten Götter tot waren.
    Als er das freie Meer erreicht hatte und die Insel in der Ferne wieder wie eine große bemooste Schildkröte aussah, ließ er die Motoren mit Vollgas laufen, beugte sich

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