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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Befehl, der außerdem noch gerechtfertigt ist. Ich flehe Sie an …«
    »Schießen Sie endlich! Mich hat weder das Meer besiegt noch die Sonne, der Sturm nicht und nicht die Trockenheit, die Einsamkeit nicht und nicht der ständige Tod, der hier auf meiner Insel abgeladen wird. Und jetzt kommen Sie mit so einem lächerlichen Ding in der Hand und wollen Staatsgewalt demonstrieren.« Bäcker stand auf, trat neben Anne und legte ihr den Arm um die nackte Schulter. »Was ist denn, Brissier? Drücken Sie doch ab. Sind wir nicht eine schöne Zielscheibe?«
    Brissier atmete tief. Er verfluchte seinen Auftrag, aber er wußte auch, daß er ohne Bäcker nicht nach Papeete zurückkommen durfte. Ein Schiff war unterwegs, um Bäckers Jacht einzuholen und in Schlepp zu nehmen und alles, was wichtig war auf der Insel, abzubauen. Die ›Aktion Räumung‹ war angelaufen, sie ließ sich nicht mehr stoppen. Bäcker hatte Zeit genug bekommen, sich darauf vorzubereiten.
    »Ich werde in Ihr Bein schießen, Werner –«, sagte Brissier heiser.
    Bäcker nickte. »Bitte ins linke, Brissier. Es ist an Verletzungen gewöhnt. Mit meinem verkrüppelten Knochen kämpfe ich seit zwanzig Jahren, er gibt keine Ruhe.«
    Er sah Brissier aus seinen lidlosen Augen abwartend an. Sein zernarbtes, von den Brandwunden zerklüftetes Gesicht glich einem verwitterten Stein. »Aber wehe Ihnen, wenn Sie bei Anne auch nur eine Haarspitze treffen!«
    »Kommen Sie mit!« schrie Brissier voller Qual. »Ich kann doch nichts daran ändern!«
    Er zielte auf Bäckers linkes Bein und krümmte den Finger. Bäcker biß die Zähne zusammen. Anne legte den Arm um seine Hüfte. Sie zitterte, aber sie stand neben ihm, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Bäcker –«, keuchte Brissier. Aus seiner Stimme klang Verzweiflung.
    In diesem Augenblick schwirrte ein Pfeil durch die Luft und bohrte sich in den Oberarm Brissiers. Er schrie auf, ließ die Pistole fallen und wirbelte herum. Auch Bäcker und Anne warfen sich zur Seite.
    Ein Pfeil … das bedeutete die Gegenwart der Papuas. Mit einem Ruck riß Bäcker Anne an sich und ließ sich hinter den Tisch fallen. Auch Brissier warf sich in Deckung – mit dem Pfeil im Muskel hechtete er hinter einen Holzstapel.
    Aus dem Dickicht des Bambuswaldes ertönte ein heller Schrei. Dann teilte sich die biegsame Wand, und eine große, breite Gestalt mit einem blonden Bart stand breitbeinig auf der Lichtung. Der Bogen war gespannt, ein neuer Pfeil lag auf der Sehne. Über den Rücken geschnallt, trug die Gestalt einen Speer.
    »Paul!« schrie Anne und warf die Arme hoch. »Paul! Mein Liebling!« Sie stieß sich vom Boden ab und rannte mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Bäcker und Brissier erhoben sich aus ihrer Deckung. Sie starrten sich an, als müßten sie sich gegenseitig bestätigen, was sie sahen.
    »Wollen Sie jetzt noch etwas sagen, Capitaine?« fragte Bäcker. Er blickte hinüber zu Anne. Sie hing am Hals ihres Sohnes und küßte ihn.
    »Nein! Das hat mir die Sprache verschlagen. Verdammt, der Gouverneur soll diese Familie selbst von ihrer Insel holen! Ziehen Sie mir den Pfeil aus dem Arm.«
    »Gleich, Brissier. Erst muß ich meinen Sohn begrüßen.«
    Er ging auf Paul zu, der seine Mutter zum Haus trug, als sei sie ein weinendes Kind.
    »Was soll das Junge?« rief er. »Einfach aus dem Bambus kommen! Sind das Manieren?«
    Er gab seinem Sohn eine leichte Ohrfeige und nahm ihm Anne ab. Paul grinste und zog seinen Vater an sich. »Man kann euch Alte doch nicht allein lassen!« sagte er laut und blickte über Bäckers Kopf hinüber zu Brissier. »Er hätte geschossen, nicht wahr?«
    »Ich weiß es nicht, Junge.« Bäcker spürte, wie die Kraft und der Mut ihn verließen. »Es ist gut, daß du da bist, Paul.«
    Eine halbe Stunde später startete Brissier nach Papeete. Den Pfeil, den Anne ihm aus dem Arm gezogen hatte, nahm er als Beweis mit, daß die Familie Bäcker sich von heute an im Kriegszustand mit Frankreich befand.
    Eine total verrückte Situation.
    Auf Viktoria-Eiland kümmerte sich niemand darum. Alles nahm seinen gewohnten Verlauf. Bis zu jenem Tag, an dem Bäcker beobachtete, wie sein Sohn am Meer saß und aus nassem Sand die Figur einer Frau modellierte: einen Körper mit langen Beinen, schmalen Schenkeln und vollen Brüsten.
    Dann saß Paul stumm neben seiner Sandfrau und wartete, bis die Flut das Bild wieder zerstörte. Auslöschte, wie er die Erinnerung an Tara auslöschen wollte und es doch nicht konnte.
    Es war später

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