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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Marmorbüste.
    »Nichts, Mutter –«, sagte Paul. Er war dem Weinen nahe. »Ich verstehe das nicht.«
    »Wir … wir werden das nie begreifen«, sagte Anne. In ihrer Stimme lag etwas Endgültiges, eine verzweifelte Traurigkeit.
    Paul begriff es und schlug die Hände vor sein zuckendes Gesicht. »Sag so etwas nicht, Mutter«, stammelte er. »Mein Gott, sprich es nicht aus. Das gibt es nicht, Mutter, das darf einfach nicht wahr sein!« Er sprang auf, rannte hinaus, stellte sich an den Rand der Böschung und blickte über das sonnenglänzende Meer.
    Der Wind seufzte in den gebogenen Palmen, an den Klippen sprang die Dünung hoch. Außerhalb der Lagune schnellten die Delphine aus dem Wasser, ein Schwarm fliegender Fische flatterte dicht über den Wellen hinweg. Ein Paradies, das einen Mann und sein Schiff verschluckte …
    »Ich suche dich!« schrie Paul über das Meer. »Vater, ich suche dich! Und wenn sie dich getötet haben, rotte ich Insel um Insel aus. Vater, das verspreche ich dir …«
    »Womit?« fragte Anne hinter ihm. Er fuhr herum, er hatte sie nicht kommen hören. »Wir haben nichts mehr.«
    »Ich habe noch das Beiboot, Mutter. Ich habe ein Maschinengewehr. Und ich habe in mir das heiße Gefühl der Rache! Das genügt!«
    Anne legte ihren Kopf auf Pauls Schulter. Ihr Zittern übertrug sich auf ihn … Er preßte die Zähne aufeinander, faltete die Hände, und dann rannen ihm die Tränen aus den Augen, und es war unmöglich, sie zurückzuhalten.
    »Wann fahren wir?« fragte Anne.
    »Du? Ich suche Vater allein!«
    »Ohne dich bleibe ich nicht eine Minute auf dieser Insel.«
    »Das geht nicht, Mutter!« Er drückte Anne an sich und streichelte ihr Haar, aber es war ein so zaghafter Trost, daß er nicht einmal für ihn selbst reichte. »Mutter, ich flehe dich an … bleib hier! Wenn ich wegfahre, dann ist das eine Fahrt, um zu töten!«
    »Ich helfe dir –«, sagte Anne tonlos. »Mein Junge, ich helfe dir. Wann fahren wir?«
    »Morgen, Mutter, laß uns noch einen Tag warten …«
    Und sie warteten. Sie funkten ihren Ruf immer wieder in die Weite der blauen, hitzeflirrenden Luft. Aber Werner Bäcker antwortete nicht.
    Am Abend stellte Paul eine andere Frequenz ein … die Polizeistation auf Hiva Oa.
    Um Mitternacht landeten zwei Flugboote aus Papeete in der Lagune. Capitaine Brissier kam zuerst an Land. Er drückte Anne stumm die Hand. Sie sagte nichts, aber ihre schreckliche Erstarrung, ihr versteinertes Schweigen war lauter als jeder Schrei. Kein Wort fiel darüber, daß Bäcker jeden Schutz abgelehnt und sich mit Frankreich ›im Kriegszustand‹ befunden hatte. Jetzt waren sie wieder Freunde … ein Offizier und eine verzweifelte Frau, die Trost und Hilfe brauchte.
    »Der Gouverneur hat sofort Alarm gegeben«, sagte Brissier. »Wir haben die in Frage kommenden Inseln abgeflogen und haben vor Vahua Oa und Konuha gewassert. Von Bäckers Schiff keine Spur. Morgen früh fliegen wir noch einmal alles ab … Wenn sie die Jacht versenkt haben, müßte man sie in dem klaren Wasser aus der Höhe sehen. Das Meer um die Inseln herum ist nicht sehr tief. Außerdem werden wir alle Eingeborenen verhören und strenge Maßnahmen ankünden. Madame …«, er führte Anne zum Haus. Sie war apathisch und ging neben ihm wie eine aufgezogene Puppe. »Fassen Sie Mut, Madame! Ich glaube noch immer, daß Ihr Mann irgendwo zwischen den Atollen herumschwimmt und einen Defekt in seiner Funkanlage hat. Warum ist er überhaupt allein losgefahren?«
    »Er wollte eine Frau für seinen Sohn suchen –«, sagte Anne mit völlig fremder Stimme. Und als sie Brissiers Staunen bemerkte, nickte sie. »Ja, eine Frau. Das kann nur der begreifen, der zwanzig Jahre hier gelebt hat.«
    »Diese verfluchte Insel!« knurrte Brissier. »Ich hätte Sie damals doch mit Gewalt fortschaffen sollen!«
    »Jetzt ist es zu spät.« Anne blieb stehen. Ihre großen braunen Augen bekamen einen merkwürdigen Glanz. »Für immer zu spät, Capitaine. Jetzt werde ich unter diesen Palmen sterben, und keiner wird mich mehr daran hindern.«
    Zwei Tage lang suchten die Flugboote die umliegenden Inseln und Atolle ab. Im flachen Meer lag kein Wrack, und da, wo es Tausende von Metern tief war, verschluckte die Dunkelheit jede Sicht. Auch ein Ölfleck oder ähnliches war nicht zu entdecken.
    Brissier und seine Soldaten verhörten systematisch die Eingeborenen. Sie nahmen die Häuptlinge in die Zange, die schwiegen. Sie unterwarfen die Medizinmänner einem gnadenlosen Verhör,

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