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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schrie: »Seht sie euch an! Mit ihr besiege ich euch! Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt.«
    Er wußte nicht, daß ihn sein Vater vor neunzehn Jahren auch der Sonne, dem Meer, dem Wind und dem Himmel gezeigt hatte mit dem gleichen Überschwang des Glücks – und wie damals antwortete das Meer mit dumpfem Grollen und begann der Wind über die Felsen zu wehen.
    In dieser ersten Nacht auf Anne-Eiland schliefen Paul und Rainu nicht. Sie saßen auf ihrem Felsenplatz und sahen hinüber zu der alten Toteninsel. Der Mond hing darüber wie ein großer gelber Lampion, und der Götze, übergossen vom bleichen Licht, glotzte zu ihnen herüber.
    »Starr mich nur an!« sagte Paul Bäcker laut. »Du machst uns keine Angst mehr, du Scheusal. Jetzt hast du alles, was du wolltest. Du hast deine Insel wieder. Wir werden gut nebeneinander leben können … keiner wird mehr den anderen stören …«

XV
    Am nächsten Tag, als die Sonne am höchsten stand, sah Paul seine heimliche Furcht heran schwimmen.
    Zehn Boote aus Vahua Oa.
    Sie paddelten an Viktoria-Eiland vorbei, aber plötzlich blieben die Paddel im Wasser, und ein vielstimmiger Schrei schallte über das Meer. Sie hatten den weithin sichtbaren Götzen bemerkt.
    Das Wunder, das völlig Unbegreifliche, von dem noch nach Jahrhunderten die Menschen in der Südsee sprechen würden, war geschehen:
    Der Götze war von selbst auf seine alte Insel zurückgekehrt.
    Die Boote drehten ab und schwammen in breiter Front auf die kleine Bucht von Viktoria-Eiland zu.
    Die Papuas luden einen Toten aus, einen alten, weißhaarigen Mann. Sie legten ihn dem Götzen unmittelbar zu Füßen, deckten ihn dann mit Federn zu und stellten bunte Schilde um ihn herum auf.
    »Häuptling Batana«, sagte Rainu leise, »er ist tot.«
    »Ist das der Häuptling, mit dem ich damals gesprochen habe?« fragte Paul.
    »Ja.«
    »Der den Medizinmann erstach?«
    »Ja.«
    »Er war schon alt, nicht wahr?«
    »Sehr alt. Er war schon ein alter Mann, als dein Vater auf unsere Toteninsel kam. Er wollte keinen Krieg, aber dann wurde er zu müde und zu schwach, immer um den Frieden zu kämpfen. Die Jungen überstimmten ihn.«
    Sie beobachteten die Eingeborenen, die einen Kreis um den Toten gebildet hatten. Ein Medizinmann, wie immer bis zur Unkenntlichkeit mit Federn, Ketten und bemalten Hölzern behängt und hinter einer großen Holzmaske versteckt, begann seinen Totentanz. Die anderen Papuas sangen und klatschten dazu, zuckten wild mit ihren Körpern und fielen dann wie vom Blitz gefällt in den Sand.
    Es war eine kurze Feier. Als jage ihnen das Wunder der Götterwanderschaft Grauen ein, liefen sie fluchtartig zu den Booten und paddelten schnell davon.
    »Werden sie wiederkommen?« fragte Paul.
    Rainu nickte. »Alle Stämme werden kommen und den Gott anbeten, der über das Meer gewandert ist«, sagte sie. »Und wenn sie entdecken, wer ihn herübergeschafft hat, werden sie über uns herfallen.«
    Paul war der gleichen Meinung.
    Vorerst galt es, sie an das Wunder zu gewöhnen, ihr Mißtrauen zu besänftigen. Solange die Papuas noch zweifelten, mußten er und Rainu sich verbergen. Deshalb deckten sie jedesmal, wenn sie von weitem ein Boot sahen, das Feuer ab. Erst später, wenn das Unfaßbare, Neue zur Gewohnheit geworden war, durfte sich Leben auf Anne-Eiland zeigen. Wann das sein würde, war noch nicht abzusehen … Vielleicht mußte erst ein Bambuswald gewachsen sein, um sich darin zu verbergen.
    »Wir haben Zeit, Rainu«, sagte Paul leise. Er stand hinter ihr. Sie hockte vor dem Feuer und briet zwei Fische an einem Stecken. »Vielleicht sind sie uns sogar dankbar, daß wir ihnen die Insel zurückgegeben haben.«
    »Das werden sie nie.« Rainu beugte sich zurück und lehnte sich in der Hocke gegen Pauls Beine. »Du hast den Gott entweiht und ihm sein Opfer gestohlen … das ist ein Frevel, der nur mit Blut gesühnt werden kann.«
    Paul Bäcker wußte, daß dies die schreckliche und durch nichts zu ändernde Wahrheit war. Er beugte sich vor, küßte Rainu auf die Augen und sagte beklommen:
    »Deine Liebe macht mich unbesiegbar. Auch mein Vater hat alle Gefahren überstanden, weil er meine Mutter hatte. Ich habe dich.«
    »Und doch haben sie deinen Vater erschlagen …«
    »Ja.« Paul Bäcker legte beide Hände über Rainus Brüste. »Aber nur, weil er das erstemal ohne meine Mutter weggefahren war … Er war allein. Ich werde niemals allein sein …«
    Zehn Tage lang mußten sie das Feuer abdecken.
    Zehn Tage lang

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