Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
kamen ganze Flotten von Kriegskanus nach Viktoria-Eiland, huldigten dem wandernden Gott, brachten Berge von Hühneropfern, übergossen den Götzen mit Blutbächen und tanzten bis zum Umfallen.
    Zehn Tage lang lagen Rainu und Paul nebeneinander hinter den Felsen und bangten, daß die Kriegskanus nach ihren Huldigungen abschwenkten und auf Anne-Eiland landeten. Dann gab es nur noch eins: Mit den in den Trümmern gefundenen zweihundertdreizehn Patronen und einem Gewehr das Leben so lange zu verteidigen, bis nur noch zwei Schuß übrigblieben.
    Was dann getan werden mußte, verbannte Paul vorerst aus seinen Gedanken. Er wußte nur eins: er würde Rainu nie lebend in die Hände ihrer Leute fallen lassen. Er kannte den Tod, der ihr dann bevorstand: ein Opfer wie die zappelnden Hühner, denen die Papuas jetzt zehn Tage lang mit schnellen Schlägen den Kopf abhackten und deren Blut sie über den Götzen spritzten.
    Nach zehn Tagen war plötzlich alles still und verlassen.
    Das Wunder war angenommen worden, der Alltag war zurückgekehrt – was blieb, war das Märchen von dem Gott, der in einer Nacht von selbst über das Meer gegangen war, um auf seine alte Insel zurückzukehren.
    Am zwölften Tag – nach einem Tag vorsichtigen Abwartens – begannen Paul und Rainu ihr neues Leben. Sie pflanzten Gemüse, das sie von Viktoria-Eiland herüberholten, Bambusstecklinge und Palmensprößlinge. Sie gruben Eßwurzeln aus, holten Schwemmholz vom Strand und bauten an ihrer Hütte weiter, suchten die neuen Vogelkolonien auf und fanden reiche Eiernester und eroberten so schrittweise ihre neue Welt.
    Sie schufteten drei Wochen von früh bis spät. Nur zweimal wurden sie von den stillen Totenbooten gestört, die neue Leichen nach Viktoria-Eiland brachten. Den Rauch, der zwischen den Felsen der neuen Insel emporstieg, schien niemand zu beachten. Viktoria-Eiland war den Toten zurückgegeben. Was drüben geschah, war gleichgültig. Die Welt der Papuas war wieder in Ordnung.
    »Wir haben gesiegt, Rainu«, sagte Paul Bäcker in der vierten Woche. »Jetzt kann ich es dir gestehen: Ich habe nicht daran geglaubt.«
    »Aber ich habe daran geglaubt, Paulo«, sagte sie leise und lächelte. Es war ein Lächeln, gegen das alles Schöne dieser Welt verblaßte.
    »Ich weiß, Rainu.« Er atmete tief auf. »Du allein hast mir auch die Kraft dazu gegeben …«
    Wie immer wachten sie fast gleichzeitig am nächsten Morgen auf, lachten sich an und sagten zueinander:
    »Ich liebe dich …«
    »Das ist der einzige Satz, den ich in fast allen Sprachen verstehe«, sagte eine Stimme hinter ihnen.
    Sie fuhren auseinander, Paul riß sein Gewehr an sich, und Rainu griff nach der scharfen Axt. Da nur das Dach, von einigen Pfählen gestützt, über ihnen war, sahen sie sofort den Mann, der auf der Felsspitze neben der französischen Fahne saß. Er trug eine Fliegerkombination und eine blaue Offiziersmütze.
    »Seien Sie nicht kriegerischer als Ihr Vater, Paul«, sagte der Mann. »Verdammt, Sie haben einen guten Schlaf. Nicht einmal der Lärm eines Flugzeuges konnte Sie wecken.«
    »Capitaine Brissier!« Paul Bäcker warf das Gewehr weg und legte den Arm um Rainu. »An alles habe ich gedacht, nur nicht an Sie. Für die Welt ist diese Insel doch eine aus dem Meer gedrückte Einöde. Wie kommen Sie hierher?«
    »Ganz privat.« Brissier kletterte hinunter auf Pauls Wohnplateau. Er schüttelte ihm die Hand, warf Rainu einen bewundernden Blick zu, die sich ihrer natürlichen Nacktheit nicht schämte, und strich ihr dann über das seidige Haar. »Die schönste Blume der Südsee für Paul Bäcker«, lachte er. »Das hätte ich mir eigentlich denken können. Ihr Vater hat Ihnen, außer einigen anderen Dingen, auch seinen guten Geschmack vererbt. Anne, Ihre Mutter, war ein Wunder von Frau.«
    »Rainu setzt dieses Wunder fort.«
    »Ich zweifle nicht eine Sekunde daran. Rainu heißt sie also.« Brissier setzte sich neben das glimmende Feuer. Rainu ging in die typische Hocke, blies es an und hing einen Topf mit Wasser darüber. Brissier beobachtete sie, wie sie Holzstäbchen in die Glut schob und aus der grauen Asche eine helle Flamme zauberte.
    »Tee oder Kaffee, Capitaine?« fragte Bäcker.
    »Das hätte Ihr Vater auch gefragt, in demselben Tonfall.« Brissier lachte. »Woher haben Sie denn diese Schätze, Paul?«
    »Ich habe aus den Trümmern unseres alten Hauses zwei Dosen ausgegraben.«
    »Das allein ist schon ein kleines Wunder. Und daß Sie diesen entsetzlichen Taifun und

Weitere Kostenlose Bücher